Bedingung für britischen Verbleib in der EU Cameron will weniger EU-Zuwanderer
Der britische Premier Cameron stellt die EU vor die Wahl: Entweder sie billigt seine Ideen für weniger Zuwanderung aus EU-Staaten oder sie muss einen EU-Austritt seines Landes fürchten. Die konkreten Vorschläge sorgen in Brüssel aber trotzdem für Aufatmen und in London für Kritik.
Sowohl in Brüssel als auch in Berlin dürften heute all jene aufgeatmet haben, denen daran gelegen ist, Großbritannien in der Europäischen Union zu halten. Denn von den radikalen Ideen, die zwischenzeitlich kursierten, ist der britische Premierminister abgerückt: David Cameron fordert keine Quoten für die Zuwanderung aus EU-Staaten - und auch keine Notbremse, um den Zuzug rasch zu begrenzen. Stattdessen macht er die Rechnung auf: weniger Sozialleistungen gleich weniger Zuwanderer.
Sorge vor den Wahlen in Mai
Er sei entschlossen, seine Vorschläge umzusetzen, so Cameron in seiner Rede vor den Beschäftigten einer Baumaschinenfabrik in Mittelengland. Wo er ein deutliches Bekenntnis zum europäischen Binnenmarkt ablegte und damit auch zur Bewegungsfreiheit innerhalb der EU. Die Bundeskanzlerin dürfte es gern gehört haben.
Besorgt um seine Wiederwahl im kommenden Mai, will der konservative Partei- und Regierungschef gleichwohl die Sozialleistungen für EU-Zuwanderer deutlich beschneiden. "Mein Ziel ist, diese Veränderungen so zu verhandeln, dass sie für die ganze EU gelten, weil ich glaube, dass die ganze EU davon profitiert", sagte Cameron. "Meine Vorschläge nehmen zwar Rücksicht auf die Besonderheiten unseres Sozialstaates, passen aber auch zu den Systemen und Ideen anderer Länder."
Zuckerbrot und Peitsche für EU-Partner
Für seine EU-Partner hält Cameron Zuckerbrot und Peitsche parat: Sollte die EU nach den von ihm skizzierten Vorstellungen reformiert werden, dann werde er dafür kämpfen, Großbritannien in der EU zu halten, so Cameron. Sollte er jedoch auf taube Ohren stoßen, dann schließe er nichts aus. Im Klartext: auch nicht, einen britischen EU-Austritt zu unterstützen.
Der Tory-Abgeordnete und Euro-Rebell Jacob Rees-Mogg ist damit erst einmal zufrieden. "So weit ist Cameron bislang noch nicht gegangen: dass er für einen EU-Austritt werben würde, wenn er nicht das bekommt, was er will", sagte der konservative Abgeordnete. "Aber er will zum jetzigen Zeitpunkt unseren Partnern in der EU nicht drohen - also formuliert er klar und taktisch zugleich. Und das halte ich für klug."
Konkret schlägt Cameron folgende Reformen vor: Frühestens nach vier Jahren sollen EU-Zuwanderer von Steuerfreibeträgen, von Lohnzuschüssen für Geringverdiener sowie von Wohngeld profitieren. Finden Zuwanderer nach einem halben Jahr keinen Job, sollen sie zurückgeschickt werden in ihr Heimatland. Und kein Kindergeld sollen jene Zuwanderer erhalten, deren Kinder nicht in Großbritannien leben.
"Cameron führt Öffentlichkeit hinters Licht"
All das reicht Nigel Farage, Chef der Anti-EU-Partei UKIP, erwartungsgemäß nicht. "Der Premier verwendet zwar das Wort 'Kontrolle', aber er führt die Öffentlichkeit damit wieder mal hinters Licht", erklärte Farage. "Denn Tatsache ist: Solange wir Mitglied der EU sind, können wir die Zuwanderung nicht kontrollieren, weil wir komplett offene Grenzen haben."
UKIP treibt die Konservativen seit Monaten beim Thema Zuwanderung vor sich her - und hat nicht nur die Europawahl gewonnen, sondern ist inzwischen mit 24 Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten. Die neuen Vorschläge Camerons gehen weiter als die der Labour-Opposition, deren Parteichef Ed Miliband ebenfalls schon im Wahlkampf-Modus ist. "Cameron hat vor der letzten Wahl versprochen, die Netto-Zuwanderung nach Großbritannien zu senken", sagt er. "Und was ist passiert? Die Zahlen sind gestiegen. Cameron ist nicht glaubwürdig beim Thema Zuwanderung - und die Leute werden seinen neuen Versprechen nicht glauben, weil er seine alten gebrochen hat."
Da die britische Wirtschaft boomt, boomt auch die Einwanderung - vor allem aus den kriselnden Staaten des Kontinents. Die EU-Kommission erklärte heute in Brüssel, sie werde die Vorschläge aus London "in Ruhe und sorgfältig" prüfen.