Streit über britische Nachzahlungen an die EU Briten bekommen mehr Zeit
Die EU kommt Großbritannien im Streit um milliardenschwere Nachzahlungen entgegen - die Details sind aber umstritten. Laut britischem Schatzkanzler Osborne soll die Summe halbiert werden. Bundesfinanzminister Schäuble spricht lediglich von einem Aufschub.
Die Briten sahen sich bereits als Sieger im Streit um die milliardenschweren Nachzahlungsforderungen der EU. Der britische Finanzminister George Osborne erklärte nach dem Treffen mit seinen Ressortkollegen in Brüssel, man habe sich auf eine Halbierung der ursprünglich geforderten 2,1 Milliarden Euro verständigt. Außerdem könne das Geld in zwei Raten überwiesen werden, zahlbar erst in der zweiten Hälfte 2015.
Schäuble widerspricht Osborne
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wies diese Darstellung zurück. Er bestätigte lediglich, dass die Zahlungsfrist für die Briten bis zum 1. September 2015 verlängert worden sei. Über eine Reduzierung der Rechnung sei nicht gesprochen worden. "Es hat in der Diskussion heute keine Rolle gespielt", sagte er. Eine Verringerung stehe auch nicht in der Abschlusserklärung des Treffens.
Die Minister beauftragten aber die EU-Kommission, die geltende Rechtslage so zu ändern, dass London Zeit bis September nächsten Jahres bekommt. Nach Informationen des ARD-Hörfunkstudios in Brüssel hat sich Osborne möglicherweise auf Rabatte bezogen, die Großbritannien generell auf seine Beiträge für den EU-Haushalt bekommt und die auch in diesem Fall gelten könnten.
Überraschung für Cameron auf dem EU-Gipfel
Großbritanniens Premier David Cameron hatte auf dem EU-Gipfel vor zwei Wochen die Nachricht erreicht, dass die Briten 2,1 Milliarden Euro nachzahlen sollten, zahlbar bis zum 1. Dezember. Auf die Frage, ob die Briten dadurch noch weiter in Richtung Austritt aus der EU gedrängt würden, schimpfte er mit hochrotem Kopf, diese Nachzahlung sei sicher nicht hilfreich.
Auf jeden Fall kam diese Nachricht für den britischen Premier zur Unzeit: zwei seiner konservativen Abgeordneten waren gerade zur EU-feindlichen United Kingdom Independence Party, kurz UKIP, übergelaufen. Bei einer dadurch ausgelösten ersten Nachwahl gewann der UKIP-Kandidat - die Rechtspopulisten haben damit ihren ersten Abgeordneten im Unterhaus in London. Und in zwei Wochen steht die nächste Nachwahl an. Gewinnt auch dort der UKIP-Kandidat - wie es im Augenblick aussieht - dann könnten noch mehr Konservative vor der Unterhauswahl im Mai kommenden Jahres zu den EU-Gegnern überlaufen.
Cameron versucht deshalb, mit immer schärferen Tönen gegen die EU-Kommission der neuen Konkurrenz auf der Rechten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Im Unterhaus erklärte er unter Zustimmung seiner Fraktion, Großbritannien werde an niemandem zum 1. Dezember die geforderten Milliarden zahlen, denn schließlich gehe es hier um das Geld der britischen Steuerzahler und nicht gerade um Kleingeld.
Spontan kann niemand die Summe erklären
In der Tat: so viel Nachzahlung wie in diesem Fall gab es noch nie. Bisher war es so, dass die Mitgliedsländer bei den jährlichen Anpassungen mal ein paar Millionen bekamen, und in anderen Jahren mal ein paar Millionen zahlen mussten. Doch niemals 2,1 Milliarden Euro. Das entspricht etwa einem Fünftel des gesamten britischen Netto-Jahresbeitrags für die EU.
Spontan konnte diese hohe Nachzahlung auch niemand so richtig erklären. Die britische Konjunktur läuft zwar besser als auf dem Kontinent, Großbritannien ist derzeit die Wachstumslokomotive der EU, also auch leistungsfähiger, aber das allein erklärt nicht die hohe Rechnung.
Es gibt wohl ein paar Neuerungen in der Statistik, die jetzt bis auf das Jahr 1997 zurück gerechnet wurden. So werden unter anderem Ausgaben in Forschung und Entwicklung, und auch Waffenkäufe nun als Investitionen erfasst. Das soll nach Angaben der EU-Mathematiker dazu geführt haben, dass Briten, Niederländer und Italiener, aber auch die Griechen nachzahlen, während Deutsche und Franzosen hohe Rückzahlungen bekommen.