Brexit-Freihandelsvertrag Nicht um jeden Preis
Die EU und Großbritannien beginnen heute mit den Verhandlungen über ihre zukünftigen Beziehungen. Bereitschaft zum Kompromiss zeigt Premierminister Johnson kaum. Von Thomas Spickhofen.
Die EU und Großbritannien beginnen heute mit den Verhandlungen über ihre zukünftigen Beziehungen. Bereitschaft zum Kompromiss zeigt Premierminister Johnson kaum.
Freihandelsvertrag sehr gern - aber nicht um jeden Preis: Das wird die britische Regierung seit Wochen nun schon nicht müde zu wiederholen. Eine verbindliche Anpassung an EU-Standards, auch wenn diese sich ändern: Das ist so ein Preis, den man nicht zu zahlen bereit sei, sagt Regierungschef Boris Johnson. "Wir verlangen von der EU ja auch nicht, dass sie in jedem einzelnen Schritt unseren Regeländerungen folgt, und deshalb sollte die EU das auch nicht von uns verlangen."
30 Seiten umfasst das Dokument, in dem die britische Regierung ihre Verhandlungsziele beschreibt. Einer der ersten Knackpunkte dürfte die Fischerei sein. Die Briten wollen ein eigenes, jährlich neu auszuhandelndes Abkommen.
Ein zentraler Punkt, erklärt Kabinettschef Michael Gove im Unterhaus. Als unabhängiger Küstenstaat werde man die Kontrolle über die Gewässer zurückbekommen, erklärte Gove. "Und wir werden den Zugang dazu nicht mit unserem Zugang zu EU-Märkten verknüpfen. Unsere Fischgründe sind unsere eigene Ressource. Wir werden den Zugang anderer Nationen zu unseren Ressourcen nur zu unseren Bedingungen zulassen."
"Werden nicht in Verhandlungen einbezogen"
Allerdings hat die Fischerei für die Briten zwar eine hohe symbolische, nicht aber wirtschaftliche Bedeutung. Deshalb fürchten die Fischer, dass ihre Interessen am Ende für andere, zum Beispiel die der Finanzindustrie geopfert werden.
Das gehe den Landwirten auch so, sagt Minette Batters von der Bauerngewerkschaft. Man sei besorgt, rede seit drei Jahren über nichts anderes. "Wir wissen nicht, was die Regierung für uns verhandelt, wir sind da nicht einbezogen. Auf gar keinen Fall dürfen wir unsere Grenzen für billige Importe aufmachen. Die Einfuhren müssen den gleichen Standards entsprechen, wie sie hier bei uns gelten."
Johnson: Wollen großartigen Freihandelsvertrag
Im Juni will London Bilanz ziehen, ob weitere Verhandlungen überhaupt noch sinnvoll sind oder man sich gleich auf einen Abschied ohne Abkommen über die zukünftigen Beziehungen vorbereiten soll.
Ob er denn akzeptiere, dass man in solchen Verhandlungen Kompromisse machen müsse, wird Johnson dieser Tage noch gefragt. Nein, sagt Johnson. "Wir wollen einen großartigen Freihandelsvertrag, das können wir jetzt hinkriegen. Wir kaufen viel von unseren Freunden, sie viel von uns. Das ist jetzt die Chance, über das schon Vorhandene hinaus noch mehr Handel miteinander zu betreiben."
Ebenfalls heute wird die britische Regierung möglicherweise ihre Leitlinien für die Verhandlungen mit den USA über einen Freihandelsvertrag vorlegen. Die sollen nämlich parallel geführt und ebenfalls schon in diesem Jahr abgeschlossen werden.