Reform des europäischen Asylrechts Die Kommission scheut den großen Wurf
Seit Langem streiten die EU-Staaten um die Verteilung von Flüchtlingen. Nun hat die Kommission Konzepte vorgelegt, um das europäische Asylrecht zu reformieren. Ein zentrales EU-Asylsystem sei notwendig - doch derzeit sei das politisch nicht möglich.
Die Revolution ist verschoben - zumindest wenn es um die Zukunft des Dublin-Systems geht. Die bisherige Regelung lege fest, wer für Asylsuchende in der EU zuständig sei, erklärt EU-Kommissar Frans Timmermans. Und genau das funktioniere derzeit nicht.
"Beim bisherigen System basiert die Entscheidung darüber, wo ein Asylantrag bearbeitet wird, darauf, wo der Asylsuchende in der EU ankommt. Das ist weder fair noch nachhaltig, denn die schiere Anzahl der Menschen, die kommen, hat den Großteil der Last auf die Schultern einiger weniger Mitgliedsstaaten gelegt", so Timmermanns. Das seien vor allem Italien und Griechenland.
Deswegen arbeitet die EU seit Monaten daran, das Dublin-Verfahren zu reformieren. Fast allen Beteiligten ist klar: Ohne eine gemeinsame, europäische Lösung geht es nicht. Oder wie es die SPD-Europapolitikerin Birgit Sippel für ihre Partei formuliert: "Wir brauchen ein komplett neues System. Alles andere ist für uns nicht zu akzeptieren." Nämlich eines, in dem Asyl in der EU, nicht einem bestimmten Land beantragt wird, so Sippel.
Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht - verankert im Artikel 16 a des Grundgesetzes. Wer in seiner Heimat politisch verfolgt wird, darf in Deutschland Zuflucht suchen. Ob jemand Asyl bekommt, hängt alleine von der politischen Verfolgung ab und nicht von anderen Faktoren wie Ausbildung, Sprachkenntnissen oder Familienstand. Auch gibt es keine Beschränkung oder eine Art Obergrenze dafür, wie vielen Menschen Deutschland Schutz gewährt. Jedoch müssen Flüchtlinge laut dem Dublin-Abkommen in dem EU-Land einen Asylantrag stellen, in dem sie erstmals die Europäische Union betreten haben.
Europäisches zentrales Asylverfahren
Genau diese Lösung, also ein europäisches Asylverfahren, steht auch im Vorschlagspapier der Kommission - allerdings nur als "langfristige Perspektive". Viele Medien, die das Papier vorab bekommen hatten, griffen die Idee dennoch dankbar auf, noch bevor die Kommissare heute in Brüssel die tatsächlichen Vorschläge der EU-Kommission vorgestellt hatten.
Dann allerdings stellte Kommissionsvizepräsident Timmermans klar: Ja, langfristig könne man über ein zentrales, europäisches Asylsystem nachdenken. "Aber politisch ist das derzeit nicht machbar. Deswegen schlagen wir das heute auch nicht vor."
Zwei Veränderungen vorgeschlagen
Damit scheut die Kommission den großen Wurf, auf den viele gehofft hatten. Stattdessen werden zwei Veränderungen des Dublin-Systems vorgeschlagen.
Option Eins: Alles bleibt, wie es ist. Das Land, in dem der Asylsuchende die EU betritt, bleibt zuständig. Nur in Notfällen, wenn zu viele Flüchtlinge kommen, werden die Menschen auf andere EU-Staaten verteilt.
Oder aber es greift die zweite Option: Die Asylsuchenden werden sofort auf die ganze EU verteilt - nach einem Schlüssel, der nicht nur die Kapazitäten der Länder in Betracht zieht, sondern auch die Bedürfnisse der Menschen selbst - zum Beispiel, ob sie in einem EU-Land bereits Familie haben.
Über diese beiden Optionen will die Kommission nun mit den EU-Mitgliedern reden - was Birgit Sippel zu wenig findet. Statt nur Ideen hätte es einen klaren Richtlinienvorschlag der Kommission geben müssen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker müsse auch politische Verantwortung übernehmen.
Grüne fordern EASO-Stärkung
Die Grünen im Europaparlament hatten schon vor Wochen einen eigenen Vorschlag zur Reform von Dublin gemacht, der sich radikal von dem unterscheidet, was die Kommission nun vorschlägt. Zumindest die Idee, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) zu stärken, findet die Grünen-Abgeordnete Ska Keller unterstützenswert: "EASO ist komplett unterfinanziert, hat zu wenig Personal. Sie müsste eine stärkere Verantwortung bekommen."
Die Kommission will nun erst einmal abwarten, was die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitglieder zu den Vorschlägen sagen. Eine Frist setzt Brüssel dafür nicht: Bis wann das Dublin-System reformiert werden soll, ist damit weiterhin offen.