Nach Prigoschins Tod Eine ungewisse Zukunft für die Wagner-Truppe
Steht die Söldnertruppe Wagner nach dem Tod ihres Chefs Prigoschin vor dem Ende? Beobachter in Russland gehen davon aus - und offenbar auch Präsident Putin. Denn der scheint sich bereits nach Ersatz umzusehen.
Es ist noch keine zwei Wochen her, dass sich Jewgeni Prigoschin mit einem Video meldete, dass Ihn in einer wüstenähnlichen Landschaft zeigte. Der Wagner-Chef schien voller Tatendrang zu sein und erweckte den Eindruck, seine Truppe konzentriere sich nun wieder voll und ganz auf Aktivitäten in Afrika.
"Wir arbeiten. Die Temperatur liegt bei +50 Grad. Alles so, wie wir es lieben", sagte er darin. "Die Wagner-Gruppe führt Aufklärungs- und Suchaktivitäten durch, macht Russland auf allen Kontinenten noch größer und Afrika noch freier."
Nach Prigoschins Tod wird die Frage nach der Zukunft seines Imperiums und der seiner Kämpfer immer lauter. Kreml-Sprecher Dimitri Peskow konnte oder wollte sie nicht beantworten und flüchtete sich in die Argumentation, dass es nach russischem Gesetz eine Privatarmee eigentlich gar nicht geben dürfte.
Der Kreml hält sich bedeckt
Es sei lediglich eine Gruppe von Kämpfern, die sich große Verdienste beim Einsatz in der Ukraine erworben hätten. "Der Heldenmut dieser Menschen wird unvergessen bleiben, darüber sprach der Präsident", sagte Peskow. "Was die Zukunft betrifft, kann ich jetzt nichts sagen - ich weiß es nicht."
Auch wisse der Kreml weiterhin nicht, wie es überhaupt zu dem Absturz kommen konnte. Eine internationale Untersuchung könne es nicht geben, die Arbeit des russischen Ermittlungsteams sei abzuwarten, so Peskow. Mehrere Versionen des Vorfalls würden in Betracht gezogen, "darunter auch - sagen wir es mal so - vorsätzliches Fehlverhalten".
Einfluss und lukrative Geschäfte
Lange Zeit war die Wagner-Truppe dem Kreml ein willkommenes Instrument, um eigene Interessen quasi "unter falscher Flagge" im Ausland umzusetzen. Ob beim Krieg in Syrien oder auf dem afrikanischen Kontinent. Bei den Deals mit afrikanischen Autokraten und Militärjuntas galt stets die Formel: Schutz gegen Beteiligung an Bodenschätzen. Für Prigoschin ein lukratives Geschäft und der Kreml konnte so seinen Einfluss in Afrika ausweiten.
Nach dem gescheiterten Wagner-Aufstand war das einst enge Band zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und Prigoschin zerschnitten. Ein Teil der Kämpfer ging nach Belarus, dort sollen sie nach Angaben des dortigen Machthabers Alexander Lukaschenko auch vorerst bleiben, um die belarusische Armee auszubilden.
Eine Zukunft in Belarus?
"'Wagner hat gelebt, Wagner lebt und Wagner wird in Belarus leben, egal ob es jemandem gefällt oder nicht", erklärte Lukaschenko. "Prigoschin und ich hatten bereits ein System erstellt, wie wir arbeiten werden." Wobei er dann wohl auch die Finanzierung der Wagner-Truppe übernehmen müsste. Der Kreml war offenbar zuletzt nicht mehr dazu bereit, so die Einschätzung von Experten.
Für die anderen Kämpfer bliebe nur die Option, sich anderen Einheiten anzuschließen, so der Duma-Abgeordnete Viktor Sobolew zu Beginn der Woche. "Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder findet man sich im zivilen Leben wieder oder wird Vertragssoldat, dient in den Formationen und Einheiten, die jetzt gebildet werden."
Sucht Putin bereits einen Wagner-Ersatz?
In Russland gehen viele Beobachter davon aus, dass das Ende der Wagner-Truppe nun besiegelt ist. Im Podcast der Nowaja Gaseta Europe sagte die Journalistin Olga Romanowa: "Eigentlich ist es das Ende von Wagner. Sie können in ihren Gedenklagern so viel mit Blumen und Teddybären winken, wie sie wollen, aber das ist ein Ende." Darüber hinaus sei Wagners Erbe bereits vor Prigoschins Tod aufgeteilt worden. "Wir haben beobachtet, wie die Privatarmee Redut begann, aktiv zu rekrutieren."
Die Söldnertruppe Redut könnte neben anderen privaten Militärunternehmen wie Convoy oder Patriot an die Stelle von Wagner treten. Um diese stärker an die Leine zu nehmen, unterzeichnete Putin Ende vergangener Woche ein Dekret, wonach alle Mitglieder paramilitärischer Organisationen künftig Russland Treue und Loyalität schwören und überdies geloben müssen, die Befehle der Kommandeure und Vorgesetzten strikt zu befolgen.
Politologe: Wagner-Kommandeure bereit abgeworben
Der russische Politologe Michael Naki berichtet auf seinem YouTube-Kanal, dass bereits vor Prigoschins Tod wichtige Wagner-Kommandeure in Afrika abgeworben werden konnten. "Tatsächlich sind das Verteidigungsministerium und das private Militärunternehmen Redut die Hauptakteure, die begonnen haben, die Wagner-Gruppe aus Afrika zu vertreiben", sagte er.
Auf diese Weise hätten sie mehrere hochrangige Wagner-Mitarbeiter übernommen. "Und nachdem diese Mitarbeiter eine Datenbank von allen Wagner-Kämpfer mitgebracht hatten, begannen sie, diese anzurufen und sagten: 'Lass dich von der Privatarmee nach Afrika schicken. Lass Wagner sein - komm mit uns'", so Naki.
Der Politologe geht davon aus, dass die Wagner-Truppe nicht weiter existieren wird. Die Chance, dass jemand die Kontrolle über Prigoschins einstiges Imperium übernehmen werde, sei gering. Im Übrigen sei der Name Wagner jetzt negativ besetzt - und Machtmenschen würden nur ungern mit Problemen in Verbindung gebracht.