Sommerlager "Songdowon" Russische Schüler machen Ferien in Nordkorea
Ferienlager, in denen Russlands Jugend auf die Kremlpolitik eingeschworen wird, haben seit Sowjetzeiten Tradition. Eine ausgewählte Schüler-Delegation verbringt nun ihren Sommer im befreundeten Nordkorea.
Am Anfang stand Arbeit. Wer zu den Auserwählten gehören wollte, die nach Nordkorea aufbrechen dürfen, musste einen Aufsatz schreiben. Die Jugendlichen sollten sich Gedanken machen zur Frage: Wo sehe ich meine Rolle in einer multipolaren Welt? Warum interessiert mich ein Besuch in Nordkorea? Und schließlich: Was will ich in Nordkorea von Russland erzählen? Eine der Organisatorinnen der Reise ist - ganz in der Tradition der Sowjet-Pioniere - die kremlnahe Jugendorganisation "Bewegung der Ersten".
Irina Rybina ist Vorsitzende der Zweigstelle Altai-Gebirge. Sie sieht in dem Ferienlager in Nordkorea auch einen erzieherischen Auftrag. "Die Bewegung der Ersten setzt neue Normen für die Entwicklung des Erziehungssystems. Unsere Jugendlichen werden von sich aus zeigen, wie wir innerhalb dieser Werte und Missionen leben, wie wir unsere Aktivitäten organisieren", sagt sie. "Und natürlich sind wir sehr daran interessiert, die von der anderen Seite vorgestellten Praktiken zu sehen."
Fast 3.500 Jugendliche hätten sich um den Aufenthalt im Ferienlager Songdowon in Nordkorea beworben. Vor ein paar Tagen brachen die 250 Auserkorenen auf. Das russische Staatsfernsehen war bei der Abreise am Flughafen dabei. Die Teilnehmer waren dank der einheitlichen Kleidung leicht zu identifizieren: weiße T-Shirts mit der russischer Nationalflagge.
Einmarsch nach Mannschaften geordnet wie bei Sportwettkämpfen: Auch das hat in Ferienlagern Tradition und war Teil des Zeremoniells in Songdowon.
"Das ist mein Kindheitstraum"
Iosif aus St. Petersburg ist stolz und aufgeregt, dabei sein zu können: "Das ist eine außergewöhnliche Gelegenheit. Eine so große Chance für mich, weil es 3.500 Teilnehmer gab und nur wenige gewonnen haben", sagt er. "Und wir haben es geschafft, man hat für uns alles bezahlt, wir fahren umsonst."
Andere reizt vor allem das exotische Reiseziel - zum Beispiel Kristina, eine Schülerin aus Woronesch: "Also ich habe in meinem Leben noch nie einen Nordkoreaner gesehen. Ich bin sehr daran interessiert, in die Demokratische Volksrepublik Nordkorea zu fahren. Das ist mein Kindheitstraum."
Das normale Leben in Nordkorea dürften die russischen Jugendlichen wohl kaum kennenlernen. Das Land ist eine abgeschottete Diktatur. Sie präsentiert sich mit dem Lager Songdowon von einer Seite, die vom Lebensalltag der Nordkoreaner Lichtjahre entfernt ist. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Das Privileg eines Besuchs in Songdowon haben ohnehin nur ausgewählte Gäste: Kinder von Parteifunktionären oder Besucher befreundeter Staaten wie China, Syrien oder Nigeria.
Pädagoge: "Ideologische Sache"
Inna Muchina, eine der Organisatorinnen auf russischer Seite, schildert das, was die Jugendlichen in Nordkorea erwartet, in bunten Farben: "Eine gute, unterhaltsame und unvergessliche Zeit wartet auf die Kinder. Sie unternehmen dort Ausflüge nach Pjöngjang, besuchen auch ein Skigebiet, wo sie mit der Seilbahn fahren werden. Sie gehen in den Zoo, sie werden den Palast der Pioniere und Schulkinder besuchen, den Wasserpark, die Rutschen, die Schwimmbäder. Sind beim Russland-Tag und am Korea-Tag dabei. Es gibt russische Küche und Discos."
Aufwendig hatte der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un das Sommerferienlager Songdowon, das seit den 1960er-Jahren existiert, umbauen und renovieren lassen. Seither sind die Unterkünfte in Pastelltönen gehalten, es gibt ein begehbares Aquarium, moderne Schwimmbäder und Fußballplätze, wo sich der Diktator selbst schon im Kreise lachender Kinder hat ablichten lassen.
Das Ferienlager mit dem Tigerkopf-Eingangstor besteht seit den 1960er-Jahren, wurde aufwendig renoviert und umgebaut.
Und so dürfte das Ferienlager in Nordkorea eine Art Kaderschmiede für die russische Elite von morgen sein. Der russische Pädagoge Dima Zicer, mittlerweile im Exil, beschreibt es so: "Das ist eine ideologische Sache, es geht hier um die Einheit und die richtige Art, die eigene Heimat zu lieben. Und in diesem Sinne können talentierte manipulative Erwachsene verrückte Ergebnisse erzielen - sodass sich niemand über alltägliche Dinge wie schlecht verlegtes Linoleum aufregen wird."