"Tag der Störung" in Israel Festnahmen und Zusammenstöße bei Massenprotesten
In Israel spitzt sich der Streit um die umstrittene Justizreform zu: Demonstranten haben wichtige Straßen blockiert und es gab bereits zahlreiche Festnahmen. Der landesweite Protest soll den ganzen Tag dauern.
Bei landesweiten Protesten gegen die Justizreform der israelischen Regierung ist es an verschiedenen Orten Israels zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten gekommen. Nach Angaben der Polizei wurden bislang 66 Demonstranten wegen Störung der öffentlichen Ordnung an verschiedenen Orten festgenommen. Die Hälfte der Festnahmen habe es in der Küstenstadt Tel Aviv gegeben, sieben Personen davon seien mittlerweile wieder freigelassen worden.
Laut Bericht der Zeitung "Haaretz" wurden auch zwei Pressefotografen festgenommen. Die Polizei erklärte, sie werde das Recht auf Meinungsfreiheit und Protest in den Grenzen des Gesetzes schützen, jedoch keine Verletzungen der öffentlichen Ordnung, eine Unterbrechung des Verkehrs oder eine Gefährdung von Autofahrern akzeptieren.
Blockierte Autobahnen und Wasserwerfer
Nachdem Israels Parlament am Montagabend in erster Lesung einen Teil der hochumstrittenen Justizreform gebilligt hatte, wurde zu den Massendemonstrationen aufgerufen. Bereits am Morgen blockierten Aktivisten zeitweise Autobahnen nach Jerusalem, Haifa und Tel Aviv sowie andere wichtige Straßen.
Die Demonstranten schwenkten israelische Fahnen und Leuchtfeuer, einige legten sich auf die Straße. Die Polizei setzte einen Wasserwerfer ein, um Demonstranten von einer Schnellstraße nach Jerusalem zu vertreiben. Beamte hinderten Demonstranten auch daran, in Jerusalem vom Obersten Gericht zum Parlamentsgebäude zu ziehen. In Haifa brachten die Proteste den Verkehr entlang der Strandpromenade zum Erliegen. In Tel Aviv wurden laut "Haaretz" zwei Demonstranten bei Zusammenstößen mit berittenen Polizisten verletzt.
Proteste am Flughafen angekündigt
Auch 300 Reservisten der Cyber-Einheit des Militärs demonstrieren: Sie unterzeichneten einen Brief, in dem sie mitteilten, sie würden sich aus Protest nicht freiwillig zum Dienst melden. "Sensible Cyber-Fähigkeiten, die für das Böse eingesetzt werden könnten, dürfen nicht an eine kriminelle Regierung weitergegeben werden, die die Grundlagen der Demokratie untergräbt", hieß es.
Die Organisatoren der seit Monaten andauernden Proteste im Land hatten bereits in der vergangenen Woche als Reaktion auf die Billigung des Entwurfes einen "Tag der Störung" angekündigt. Zusätzlich zu den geplanten Blockaden an Kreuzungen und mehreren zentralen Straßen wurden Autofahrer aufgefordert, besonders langsam zu fahren, "um ein Zeichen zu setzen", teilte ein Sprecher mit. Später sollen an zahlreichen Orten Kundgebungen stattfinden, darunter am internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv.
Am "Tag der Störung" protestieren Menschen gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und seine Justizreform in Tel Aviv und anderen Städten.
Kritik von Regierung - Zuspruch von Opposition
Der israelische Bildungsminister Joav Kisch bezeichnete die Demonstrationen laut Bericht der Zeitung "Times of Israel" als Versuch, "gewählte Vertreter einzuschüchtern und das Leben von Millionen von Menschen zu stören". Man werde "diesem Terror" nicht nachgeben.
Der Vorsitzende der Partei "Nationale Einheit", Benny Gantz, hatte die Polizei am Morgen aufgerufen, "der Drohkampagne der Regierung nicht nachzugeben" und die Proteste zu erlauben. Die Demonstranten rief er auf Twitter zum Protest "im Einklang mit dem Gesetz und den Anweisungen der Polizei" auf.
Pläne spalten Israel
Die Reformpläne haben Israels Gesellschaft tief gespalten. Der nun vorläufig gebilligte Entwurf sieht vor, dass das Höchste Gericht künftig Entscheidungen von Volksvertretern nicht länger auf deren "Angemessenheit" prüfen kann.
So hatte der Gerichtshof etwa in diesem Jahr die Ernennung des Vorsitzenden der Schas-Partei, Arie Deri, zum Innenminister für unangemessen erklärt, da dieser unter anderem wegen Bestechlichkeit verurteilt worden war.
Kritiker sehen in der von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu vorangetriebenen Justizreform einen Versuch, die demokratische Gewaltenteilung auszuhebeln. Durch die Beseitigung der Kontrollbefugnisse des Höchsten Gerichts könne die Regierung willkürliche Entscheidungen treffen, unangemessene Ernennungen oder Entlassungen vornehmen und die Tür zur Korruption öffnen, erklären Gegner.
Die Regierung argumentiert dagegen, gewählte Volksvertreter müssten gegenüber einer übergriffigen Justiz gestärkt werden.