Israels Krieg gegen die Hamas Die Unzufriedenheit mit Netanyahu wächst
In Israel steigt der innenpolitische Druck auf Premier Netanyahu. Selbst in seinem Kriegskabinett wird laut über Neuwahlen nachgedacht. Angehörige von Hamas-Geiseln campierten vor seinem Wochenendhaus.
"Alle, jetzt", rufen einige Dutzend Menschen in Richtung eines Hauses. In Caesarea am Mittelmeer genießt Israels Premier Benjamin Netanyahu seine Wochenenden. An diesem Wochenende bekam er vorübergehend neue Nachbarn: Angehörige der im Gazastreifen verbliebenen Geiseln schlugen Zelte vor Netanyahus Haus auf und erinnerten den Premierminister lautstark daran, dass sie eine Verhandlungslösung wollen, um die Verschleppten zurückzubringen.
Netanyahu will die Kämpfe im Gazastreifen fortsetzen. Stunden vor den Protesten in Caesarea telefonierte er mit US-Präsident Joe Biden. Thema war auch eine Zweistaatenlösung zwischen Israelis und Palästinensern. Netanyahu will sie nicht, Biden will sie schon. Dies habe der US-Präsident auch am Telefon gesagt, wie John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, schilderte.
Der Präsident glaubt weiterhin an die Machbarkeit einer Zwei-Staaten-Lösung. Ihm ist bewusst, dass harte Arbeit dafür nötig ist. Es wird auf beiden Seiten viel Führungsstärke in der Region brauchen. Die Vereinigten Staaten fühlen sich weiter verpflichtet, dieses Ergebnis zu erreichen.
Er glaube, dass eine Zweistaatenlösung auch mit Netanyahu als israelischem Regierungschef erreichbar sei, sagte Biden am Rande eines Termins.
Dissens im Kriegskabinett
Innenpolitisch steht Netanyahu wegen seiner Strategie im Gazastreifen unter Druck. Gadi Eisenkot, ehemaliger Armeechef, politischer Kontrahent Netanyahus und aktuell Mitglied in dessen Kriegskabinett übte scharfe Kritik, erklärte das Kriegsziel einer Vernichtung der Hamas für unrealistisch, forderte eine Feuerpause, um die Geiseln zurückzubringen, und zeigte sich indirekt aufgeschlossen für Neuwahlen.
Die verlangt auch der ehemalige Premierminister und jetzige Oppositionsführer Yair Lapid. Er sagte im Interview mit dem Radiosender Reshet Bet: "Ein Regierungswechsel in Kriegszeiten ist nicht ideal, aber noch schlimmer ist ein Premierminister, der spaltet, dem Verhältnis zu den Amerikanern schadet und nicht weiß, wie man diesen Krieg führt."
Netanyahu lehnt Neuwahlen ab
Bei Neuwahlen kämen Netanyahu und seine aktuellen Koalitionspartner Umfragen zufolge auf keine Mehrheit. Jetzt sei nicht die Zeit für Wahlen, argumentiert der Premierminister: "Auf dem Höhepunkt des Krieges, in dem unsere Soldaten fallen und ihre Leben riskieren - in der Mitte dieses Krieges wollt ihr den Krieg stoppen? Ich glaube, dass man sich jetzt auf die Erfüllung der Ziele konzentrieren muss. Danach wird es Zeit für Politik geben."
Im Gazastreifen wird weiter gekämpft. Die israelische Armee meldete Gefechte aus dem Norden und dem Süden des Küstengebiets und die Zerstörung von Raketenwerfern der Hamas. Die Opferzahlen steigen. Die örtlichen palästinensischen Behörden, deren Angaben sich nicht unabhängig überprüfen lassen, gaben die Zahl der Todesopfer mit knapp 25.000 an und die der Verletzten mit mehr als 62.000.