Bodeneinsatz im Gazastreifen Netanyahu verkündet zweite Phase des Krieges
Israel hat seine Bodeneinsätze im Gazastreifen ausgeweitet. Ministerpräsident Netanyahu sprach von einer "zweiten Phase" - und stimmte auf einen langen und schwierigen Krieg ein.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat den Bodeneinsatz der Armee im Gazastreifen als zweite Phase des Krieges bezeichnet. Ziel sei es, "die militärischen und politischen Fähigkeiten der Hamas zu zerstören und unsere entführten Bürger zurückzubringen", sagte er bei einer Pressekonferenz.
Die Entscheidung zur Ausweitung der Bodeneinsätze habe die Notstandsregierung einstimmig getroffen. "Allerdings stehen wir erst am Anfang", betonte Netanyahu. Der Krieg werde "schwierig und lang" sein. "Nach dem Krieg werden wir alle Antworten auf schwierige Fragen geben müssen, mich eingeschlossen."
Die israelische Armee war in der vergangenen Nacht eigenen Angaben zufolge in den Norden des Gazastreifens vorgedrungen. Die Bodentruppen sind demnach immer noch vor Ort. Beteiligt seien Infanterie, Panzertruppen, Ingenieurkorps und Artillerie, hieß es. Vermehrt sollen auch unterirdische Ziele und terroristische Infrastruktur angegriffen werden. Das israelische Militär hatte zuvor bereits vereinzelte, zeitlich eng begrenzte Vorstöße am Boden unternommen. Vor drei Wochen hatte die militant-islamistische Hamas Israel angegriffen, etwa 1.400 Menschen getötet und mehr als 200 Geiseln genommen.
Netanyahu: Werden alles für Freilassung der Geiseln tun
Man werde jede Gelegenheit nutzen, um "unsere entführten Brüder und Schwestern in die Arme ihrer Familien zurückzubringen", so der Ministerpräsident.
Zuvor hatte Netanyahu Angehörige der Geiseln getroffen. Vertreter der Angehörigen forderten anschließend einen Gefangenenaustausch. Israel solle die Freilassung aller palästinensischen Häftlinge aus israelischen Gefängnissen im Austausch für alle aus Israel entführten Geiseln erwägen, schlugen die Angehörigenvertreter israelischen Medien zufolge vor.
Innerhalb des Kriegskabinett habe man die Idee, die Geiseln gegen palästinensische Gefangene in Israel zu tauschen, diskutiert, so Netanyahu. Ein Sprecher der militant-islamistischen Hamas hatte zuvor gesagt, die Geiseln nur freizulassen, wenn Israel im Gegenzug alle palästinensischen Gefangenen freilasse.
Verteidigungsminister Yoav Gallant sagte bei der Pressekonferenz, es vergehe kein Moment, an dem er nicht an die Geiseln denke. Sie zurückzubringen, sei eine komplexe Aufgabe. Je mehr militärischen Druck Israel ausübe, desto größer sei die Chance, diese Aufgabe zu erfüllen, so Gallant. Derzeit greife das Militär weiter Stellungen der Hamas im Gazastreifen an, "über- und unterirdisch". "Die Hamas leidet unter Erschütterungen, wie sie sie noch nie erlebt hat."
Kritik von UN und arabischen Ländern
UN-Generalsekretär António Guterres äußerte sich überrascht: Es habe ihm zuvor Mut gemacht, dass es offenbar zunehmend Einigung darüber gegeben habe, dass eine humanitäre Waffenruhe nötig sei, teilte er auf der früheren Twitter-Plattform X mit. "Leider wurde ich stattdessen von einer beispiellosen Eskalation der Bombardierungen überrascht, die humanitäre Ziele untergraben. Diese Situation muss rückgängig gemacht werden", schrieb er.
Wegen der Ausweitung der israelischen Bodeneinsätze im Gazastrafen kam auch scharfe Kritik aus arabischen Ländern. Saudi-Arabiens Außenministerium bezeichnete "jegliche Bodenoffensive" als Bedrohung für palästinensische Zivilisten. Das sei ein "eklatanter Bruch und ein ungerechtfertigter Verstoß gegen internationales Recht".
Auch die Vereinigten Arabischen Emirate verurteilten die Bodeneinsätze, wie die staatliche Nachrichtenagentur WAM mit Verweis auf das Außenministerium berichtete. Demnach äußerte der Golf-Staat seine tiefe Besorgnis über die militärische Eskalation der Israelis und die Verschärfung der humanitären Krise. Diplomaten zufolge forderten die Emirate eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.