Krieg im Nahen Osten Netanyahu will Druck auf Hamas aufrechterhalten
Angehörige der von der Hamas entführten Geiseln fürchten, dass diese durch das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen gefährdet werden. Ministerpräsident Netanyahu will jedoch weiter militärischen Druck ausüben.
In Israel haben erneut freigelassene Geiseln, Angehörige von Geiseln sowie Tausende Unterstützer in Tel Aviv für die Freilassung der in den Gazastreifen Entführten demonstriert. Sie forderten Regierungschef Benjamin Netanyahu auf, mehr für die Rettung der nach israelischen Angaben noch etwa 128 verschleppten Menschen zu tun.
Die versehentliche Tötung von drei Geiseln durch israelische Soldaten bei Kämpfen im Gazastreifen hat viele Israelis und vor allem Angehörige von Entführten geschockt. Noam Perry, Angehöriger einer Geisel, warf dem Kriegskabinett um Netanyahu vor, es habe militärischen Druck als notwendig bezeichnet, damit die Geiseln freikämen. "Inzwischen kommen immer mehr Geiseln als Leichen zurück", klagte Perry. Andere Sprecher der Kundgebung forderten einen Plan der Regierung zur Rettung der Geiseln.
"Holt sie jetzt nach Hause"
Die Menschen hatten sich wie schon viele Male zuvor seit Kriegsbeginn auf einem Platz vor dem Museum für Kunst im Zentrum der Stadt versammelt, der seither als "Platz der Geiseln" bezeichnet wird.
Raz Ben-Ami, eine Mutter von drei Kindern aus dem am 7. Oktober von Hamas-Terroristen überfallenen Kibbuz Beeri, die nach 54 Tagen freigelassen worden war und deren Ehemann Ohad immer noch in Gaza gefangen gehalten wird, sagte, die Familien hätten bei einem Treffen vor zwei Wochen das Kriegskabinett gewarnt, dass das militärische Vorgehen die Geiseln gefährde. "Sie haben versprochen, die Geiseln lebend zurückzubringen. Worauf warten Sie? Bringen Sie sie jetzt nach Hause", rief sie Netanyahu auf.
Zum wiederholten Mal kam es in Tel Aviv zu einer Demonstration, auf der die Freilassung der von der Hamas entführten Geiseln gefordert wurde.
Die Teilnehmer der Demonstration zogen nach der Kundgebung vor dem Museum zum nahe gelegenen Verteidigungsministerium, wo das Kriegskabinett um Netanyahu tagte. Sie trugen ein großes Banner, auf dem Stand: "Holt sie jetzt nach Hause".
Netanyahu: Wir sind entschlossener denn je
Netanyahu sagte, die versehentliche Tötung von drei Geiseln durch israelische Soldaten habe ihm "das Herz gebrochen". Dieser Vorfall "hat das Herz der gesamten Nation gebrochen". Der Ministerpräsident betonte auf einer Pressekonferenz jedoch zugleich, dass der militärische Druck auf die Hamas notwendig sei, damit Verhandlungen etwas erreichen könnten. Die Anweisungen, die er dem israelischen Verhandlungsteam gebe, basierten "auf diesem Druck, und ohne ihn haben wir nichts". "Wir sind entschlossener denn je, bis zum Ende weiterzumachen, bis wir die Hamas vernichtet haben und alle unsere Entführten zurückgebracht haben".
Netanyahu sprach nicht konkret über mögliche neue Verhandlungen mit der Hamas. In Medienberichten hieß es jedoch, nach der versehentlichen Tötung der drei Geiseln wende sich die israelische Regierung wieder dem Weg der Verhandlungen zu. Das Nachrichtenportal Axios berichtete von einem für dieses Wochenende in Europa geplanten Treffen des israelischen Mossad-Geheimdienstdirektors David Barnea mit dem katarischen Regierungschef Mohammed ben Abdelrahmane Al-Thani. Dabei solle es um eine zweite Feuerpause zur Freilassung von Geiseln gehen.
Im Rahmen einer zwischen Israel und der Hamas vereinbarten Waffenruhe waren Ende November im Verlauf einer Woche etwa hundert Geiseln freigelassen worden. Im Gegenzug ließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus den Gefängnissen frei. Das Abkommen war von Katar, Ägypten und den USA vermittelt worden.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee
Baerbock und Cameron fordern "nachhaltige Waffenruhe"
In einem gemeinsamen Zeitungsbeitrag riefen unterdessen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr britischer Kollege David Cameron zu verstärkten internationalen Anstrengungen für eine "nachhaltige Waffenruhe" im Gazastreifen auf. "Wir alle müssen alles tun, was wir können, um den Weg für eine nachhaltige Waffenruhe zu ebnen, die zu einem nachhaltigen Frieden führt", erklärten Baerbock und Cameron in der britischen Zeitung "Sunday Times".
Je schneller eine solche Waffenruhe komme, desto besser - "der Bedarf ist dringend", betonten die beiden Politiker. In diesem Konflikt seien schon "zu viele Zivilisten gestorben". Zuletzt war der Druck auf Israel gewachsen, beim Vorgehen im Gazastreifen mehr Rücksicht auf Zivilisten zu nehmen.
Allerdings lehnten es Baerbock und Cameron ab, von Israel eine "allgemeine und sofortige Waffenruhe" zu verlangen. Dies würde die Gründe ignorieren, warum Israel dazu gezwungen sei, sich selbst zu verteidigen, argumentierten sie: "Die Hamas hat Israel barbarisch angegriffen und feuert immer noch jeden Tag Raketen ab, um israelische Bürger zu töten." Die Hamas müsse "ihre Waffen niederlegen", forderten Baerbock und Cameron.