Westjordanland Israels Armee setzt Großoffensive in Dschenin fort
Israel hat den Militäreinsatz im Westjordanland fortgesetzt. Nach palästinensischen Angaben stieg die Zahl der Getöteten auf zehn. Das Flüchtlingslager Dschenin wurde erneut nach Extremisten und Waffen durchsucht. Die UN reagierten besorgt.
Die israelische Armee hat ihre großangelegte Militäroffensive im besetzten Westjordanland fortgesetzt. Am frühen Morgen seien mehrere Waffen sowie militärische Ausrüstung in der palästinensischen Stadt Dschenin beschlagnahmt worden, teilte die Armee mit. Zudem seien ein unterirdischer Schacht zur Lagerung von Sprengkörpern sowie "Räumlichkeiten terroristischer Organisationen" zerstört worden.
Dschenin und das dortige Flüchtlingslager mit rund 17.000 Einwohnern gelten seit Jahren als Hochburg militanter Palästinenser.
Das palästinensische Gesundheitsministerium teilte mit, die Zahl der Toten bei der Offensive sei auf zehn gestiegen. Zudem seien von den 100 Verletzten weiterhin 20 in kritischem Zustand.
Bei den Toten handelt es sich dem israelischen Militär zufolge um Extremisten. Israelische Medien berichteten, mindestens 120 mutmaßliche palästinensische Extremisten seien festgenommen worden.
Aus Protest gegen den Einsatz blieben am Dienstag zahlreiche Geschäfte und öffentliche Einrichtungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem geschlossen. Zuvor hatten mehrere Palästinenserorganisationen zu einem eintägigen Generalstreik aufgerufen. An mehreren Orten waren zudem Kundgebungen geplant.
Unklare Lage im Flüchtlingslager Dschenin
Palästinensischen Berichten zufolge wurden Tausende Menschen in der Nacht aus dem Flüchtlingslager in nahe gelegene Notunterkünfte gebracht. Eine Sprecherin des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, dass Einwohner des Lagers ihre Unterkünfte verlassen hätten.
Unklar war zunächst, ob dies von der Armee angeordnet wurde. Israelischen Medienberichten zufolge bestritten israelische Sicherheitsbeamte, dass es einen Befehl zur Evakuierung gegeben habe.
Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte vor Journalisten, die israelische Armee habe "nicht vor, in dem Lager zu bleiben". Sie stelle sich aber auf die "ernstere Lage" ein, länger in dem Gebiet zu kämpfen.
Auto fährt in Passanten - Hamas spricht von "Rache"
In der israelischen Mittelmeerstadt Tel Aviv ist ein Mann mit einem Auto auf einen Bürgersteig gefahren und hat Passanten gerammt. Sieben Menschen wurden nach Angaben der Polizei verletzt, drei davon schwer. Nachdem zunächst unklar war, ob es sich um Vorsatz handelte, sprach die militante Palästinenserorganisation Hamas von einer "heroischen Tat" und von "Rache für die Militäroperation in Dschenin".
Luftangriffe und Bodentruppen
Israels Militär hatte den Einsatz Montagnacht mit gezielten Luftangriffen begonnen. Kurz nach den Luftangriffen war die Armee mit Bodentruppen und rund 100 Militärfahrzeugen in die Stadt eingerückt.
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kündigte am Montag an, die Militäroffensive werde so lange dauern wie nötig, "um die Mission zu erfüllen".
Die Vereinten Nationen reagierten besorgt auf die Offensive. UN-Generalsekretär Antonio Guterres bekräftigte, "dass alle militärischen Operationen unter voller Achtung des humanitären Völkerrechts durchgeführt werden müssen", wie der stellvertretende UN-Sprecher Farhan Haq in einer Erklärung mitteilte.
Auch Lynn Hastings, humanitäre Koordinatorin der UN in den palästinensischen Gebieten, sagte, sie sei alarmiert vom Umfang der Militäroperation. Die Vereinten Nationen mobilisierten humanitäre Hilfe.
Die Arabische Liga berief eine Dringlichkeitssitzung ein. Die USA bekräftigten Israels Recht auf Selbstverteidigung, riefen das Land aber gleichzeitig zu einer Wiederaufnahme der Sicherheitskooperation mit der Palästinensischen Autonomiebehörde auf.
Das Büro von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erklärte einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge derweil, dass der Kontakt und die Sicherheitskoordination mit Israel ausgesetzt wurden.
Angespannte Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Israel und den palästinensischen Gebieten ist schon längere Zeit angespannt und hatte sich zuletzt nochmals verschärft. Nach einem tödlichen Anschlag zweier Palästinenser auf vier Israelis im Westjordanland vor knapp zwei Wochen kam es dort immer wieder zu massiver Gewalt wütender israelischer Siedler gegen Palästinenser.
Seit Beginn des Jahres kamen mehr als zwei Dutzend Menschen bei Anschlägen von Palästinensern ums Leben. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 140 Palästinenser bei Konfrontationen, israelischen Militäreinsätzen oder nach eigenen Anschlägen erschossen.