Offensive im Westjordanland Guterres appelliert an Israel
Die Vereinten Nation reagieren besorgt auf Israels Offensive im Westjordanland. In der Nacht wurden erneut Kämpfe gemeldet, die Opferzahl stieg auf mindestens zehn. Präsident Abbas hat den Kontakt mit Israel derweil ausgesetzt.
Israels Armee hat ihre Militäroffensive im besetzten Westjordanland in der Nacht fortgesetzt. Bei Luftangriffen und Gefechten am Boden seien mindestens zehn Menschen getötet worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium mit. Rund 100 weitere Palästinenser seien verletzt worden, 20 von ihnen lebensgefährlich. Bei mindestens einem Toten soll es sich Berichten zufolge um einen militanten Palästinenser handeln.
Die Armee war in der Nacht zum Montag mit Tausend Soldaten in die palästinensische Stadt Dschenin eingerückt und hatte damit ihre erste Großoffensive seit rund 20 Jahren begonnen. Nach eigenen Angaben beschlagnahmte sie Waffen und Sprengstoff und nahm mehrere Verdächtige fest. Nach Angaben der Armee richtet sich der Einsatz gegen terroristische Infrastruktur. Dschenin und das dortige Flüchtlingslager gelten als Hochburg militanter Palästinenser.
UN mobilisieren humanitäre Hilfe
Angesicht der Lage zeigte sich der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, zutiefst besorgt über die Entwicklungen. Er "bekräftigt, dass alle militärischen Operationen unter voller Achtung des humanitären Völkerrechts durchgeführt werden müssen", wie der stellvertretende UN-Sprecher Farhan Haq in einer Erklärung mitteilte.
Auch Lynn Hastings, humanitäre Koordinatorin der UN in den palästinensischen Gebieten, sagte, sie sei alarmiert vom Umfang der Militäroperation. Die Vereinten Nationen mobilisierten humanitäre Hilfe, sagte sie.
Palästinensische Flüchtlinge verlassen offenbar Unterkünfte
Palästinensischen Berichten zufolge verließen Tausende Menschen in der Nacht das Flüchtlingslager mit rund 17.000 Einwohnern. Derzeit werde versucht, die Menschen in Schulen und anderen Unterkünften in der Stadt unterzubringen, erklärte der Vize-Gouverneur von Dschenin, Kamal Abu al-Rub, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Eine Sprecherin des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass Einwohner des Lagers ihre Unterkünfte verlassen hätten.
Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte vor Journalisten, die israelische Armee habe "nicht vor, in dem Lager zu bleiben". Sie stelle sich aber auf die "ernstere Lage" ein, länger in dem Gebiet zu kämpfen.
Am Abend hatten palästinensische Medien gemeldet, die israelische Armee habe angeordnet, dass Palästinenser das Flüchtlingslager in Dschenin verlassen sollten. Israelischen Medienberichten zufolge bestritten israelische Sicherheitsbeamte hingegen, dass es einen solchen Befehl zur Evakuierung gegeben habe. Demnach flüchteten die Menschen zu Tausenden vor den Kämpfen.
Abbas lässt Kontakt mit Israel ruhen
Die Arabische Liga rief für Dienstag eine Dringlichkeitssitzung ein. Die USA bekräftigten Israels Recht auf Selbstverteidigung, riefen das Land aber gleichzeitig zu einer Wiederaufnahme der Sicherheitskooperation mit der Palästinensischen Autonomiebehörde auf. "Wir unterstützen Israels Sicherheit und sein Recht, die Bevölkerung gegen die Hamas, den Palästinensischen Islamischen Dschihad und andere terroristische Gruppen zu verteidigen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington. Gleichzeitig sei es "zwingend notwendig, alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um den Verlust von Menschenleben zu verhindern", fügte der Sprecher hinzu.
Das Büro von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erklärte derweil, dass der Kontakt und die Sicherheitskoordination mit Israel ausgesetzt wurden. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Die Entscheidung erfolgte nach einem Treffen von Abbas mit anderen führenden Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde. Abbas hat die Koordinierung mit Israel in der Vergangenheit bereits mehrfach während früherer Gewaltausbrüche vorübergehend ausgesetzt.
Zwei Israelis starben bei Angriff
Dschenin und das angrenzende Flüchtlingslager sind immer wieder Schauplatz von Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und militanten Palästinensern. Die israelische Armee nimmt regelmäßig Razzien in dem Gebiet vor, das theoretisch unter der Kontrolle der Palästinenserbehörde von Präsident Mahmud Abbas steht.
Vor zwei Wochen waren bei einer Razzia der israelischen Armee im Flüchtlingslager sieben Menschen getötet worden. Dabei feuerte die Armee Raketen von einem Hubschrauber aus ab. Kurz darauf starben vier Israelis bei einem Angriff von zwei bewaffneten Palästinensern an einer Tankstelle nahe der Siedlung Eli. Die Gewalt im Westjordanland hat sich in den vergangenen Monaten verschärft.