Staatstrauer und Tätersuche Wer steckt hinter den Explosionen im Iran?
Nach den Explosionen in Kerman wird heute im Iran getrauert. 84 Menschen sollen bei dem Anschlag ums Leben gekommen sein. Das Regime spricht von einem Terrorakt und macht "Staatsfeinde" verantwortlich.
Iranische Regime-Anhänger haben die Schuldigen für den Anschlag gestern in Kerman im Südosten des Landes schon gefunden - auch, wenn sich bis jetzt niemand dazu bekannt hat. In Sprechchören auf einer Veranstaltung in Teheran wünschen sie Israel und den USA den Tod. Kämpferisch strecken sie die Faust in die Luft. Währenddessen kommt Präsident Ebrahim Raisi ans Rednerpult.
Hinter ihm ist ein übergroßes Bild von Kassem Soleimani an die Wand geworfen. Der frühere General der mächtigen Revolutionsgarden wurde am 3. Januar 2020 bei einem gezielten Drohnenangriff durch die USA in Bagdad getötet. Raisi greift die Gedenkveranstaltung in dessen Heimatstadt Kerman auf.
Eine riesige Menschenmenge trauere in diesen Tagen am heiligen Grab Soleimanis, so Raisi. "Und die (Täter) versuchen, die Menschen mit einem barbarischen Akt zu schocken. Sie können sich sicher sein, dass sie für dieses grausame Verbrechen einen hohen Preis bezahlen werden."
Todeszahlen nach unten korrigiert
Hunderte, so heißt es in iranischen Medien, nahmen auf dem Friedhof von Kerman, Soleimanis Heimatstadt, an einer Gedenkveranstaltung teil. Innenminister Ahmad Vahidi erklärte am Telefon im iranischen Fernsehen, was dann passiert sei. "Um 15 Uhr gab es die erste Explosion", so Vahidi. "Und als die Menschen versuchten, den Verletzten zu helfen, gab es die zweite Explosion."
Das Ganze nur rund 700 Meter von Soleimanis Grab entfernt. Mehr als 200 Menschen sollen verletzt worden sein. 84 Tote seien zu beklagen, sagte der Chef des nationalen Rettungsdienstes, Dschafar Miadfar, laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. Zuvor hatte Gesundheitsminister Bahram Eynollahi die Zahl der Todesopfer von mehr als 100 auf 95 nach unten korrigiert. Man habe einige Namen aus Versehen zweimal registriert. Es ist trotzdem der tödlichste Anschlag in der 45-jährigen Geschichte des Iran seit der Islamischen Revolution.
Oberster Führer kündigt harte Reaktion an
Der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, spricht den Familien der Opfer von Kerman in einer schriftlichen Botschaft sein Beileid aus, macht Feinde des Iran dafür verantwortlich und verspricht eine harte Reaktion. Wie die aussehen könnte, schreibt er nicht.
Der Nachfolger von Soleimani bei der iranischen Eliteeinheit Al -Quds-Brigaden, General Esmail Ghaani, spricht auf der Veranstaltung in Teheran nach Präsident Raisi. In grüner Uniform erklärt er mit erhobenem Zeigefinger, die Ermordung des "Märtyrers Soleimani und die von Märtyrern wie Sejed-Rasi Mussawi" sowie "Verbrechen wie in Kerman" zeigten, "wie verzweifelt der Feind inzwischen ist." Er wisse aber nicht, dass die Islamische Republik "mit Gottes Hilfe ihren Weg nicht aufgeben wird, das zionistische Regime zu entwurzeln, egal, wie sehr sich der Feind anstrengt."
"Allesamt sehr gezielte Attacken"
Beobachter diskutieren im Netz, ob wirklich Israel hinter dem Anschlag stecken könnte. Sie vermuten den Geheimdienst Mossad immer wieder hinter Angriffen, unter anderem auf Experten des iranischen Atomprogramms und Mitglieder der Revolutionsgarden. Man könne so zeigen, dass man den Iran sogar an diesem besonderen Ort hart treffen könne. Allerdings gibt es auch Zweifel, erklärt der Iran-Experte Ali Fathollah Nejad.
Es sei interessant zu sehen, dass meistens Zivilisten getroffen worden seien, so Nejad - und die Bomben nicht im Innersten dieser Zeremonie für Soleimani platziert worden seien. "Und vor allem passt es auch nicht in das Muster der israelischen Angriffe im Iran." Israel habe immer wieder Anschläge im Iran verübt, "aber das eigentlich gegen das Regime und die Infrastruktur des Regimes, gegen militärische und nukleare Einrichtungen. Das waren allesamt sehr gezielte Attacken."
Das Schema mit den beiden zeitversetzten Explosionen passe eher zu einer islamistischen Terrororganisation wie dem "Islamischen Staat" (IS), so Beobachter. Möglicherweise werde auch versucht, den Iran tiefer in den Gaza-Krieg hineinzuziehen. Beobachter fürchten, dass sich der durch iranische Vergeltungsschläge weiter im Nahen Osten ausbreiten könnte.