Lage in Nahost Weitere Angriffe und keine Sicherheit
Der Nahe Osten kommt weiter nicht zur Ruhe: Sowohl aus Israel als auch aus dem Gazastreifen werden weitere Angriffe gemeldet. Die Opferzahlen steigen. ARD-Mitarbeiter berichten aus dem Gazastreifen von verheerenden Szenen.
Fast zwei Wochen nach dem Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel gehen die gegenseitigen Luftangriffe weiter. Nach Angaben von Israels Armee beschossen militante Palästinenser aus dem Gazastreifen israelische Ortschaften. In der Küstenstadt Aschkelon und in Orten nahe der Grenze zum Gazastreifen heulten demnach wieder die Warnsirenen. Auch in Tel Aviv und im Zentrum des Landes wurde Raketenalarm ausgelöst.
Armeesprecher Daniel Hagari teilte mit, das Militär habe bislang die Familien von 306 gefallenen Soldaten und 203 Geiseln informiert. Zuvor war die Zahl der Geiseln mit 199 angegeben worden.
Auch aus dem Gazastreifen wurde von neuen Angriffen Israels berichtet. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums sind in den vergangenen 24 Stunden mehr als 678 Menschen gestorben. Einem Arzt zufolge sind bei einem Angriff im Süden mindestens zwölf Menschen getötet und 40 weitere verletzt worden. Der Angriff habe ein Wohngebäude in einem dicht besiedelten Viertel der Stadt Chan Junis getroffen, sagte der Arzt Mohammed Kandil der Nachrichtenagentur AP zufolge.
Schlechte humanitäre Lage und keine Sicherheit
Für Hunderttausende Menschen, die im Gazastreifen auf der Flucht sind, gibt es weiter keine Unterkünfte, kein Essen oder Wasser. ARD-Mitarbeiterin Ameera Harouda ist mit ihren vier Kindern in einem Gebäude des UN-Flüchtlingshilfswerks für palästinensische Flüchtlinge untergekommen, das allerdings nicht für viele Menschen ausgelegt ist. "Hier in der Unterkunft verbreiten sich Krankheiten, so eine Hautkrankheit unter den Kindern - mit Durchfall und Fieber", sagt sie. Die Lage sei sehr schlecht.
ARD-Mitarbeiter Mohammad Abu Saif berichtet von ähnlichen Szenen: "Überall liegen Leichen herum. Zerstörte Häuser, Familien ohne Unterkunft." Nicht einmal der Süden - in den das israelische Militär die Menschen im Norden aufgefordert hatte zu fliehen - sei noch sicher. Die Nacht sei für ihn besonders schwierig gewesen: "Ich habe 15 Familienangehörige verloren bei einem Luftangriff der israelischen Armee."
Insgesamt stieg die Zahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen seit Beginn des Krieges nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza auf mehr als 3.500. Die Zahl der Verletzten liegt demnach bei rund 13.000. Das Gesundheitsministerium in Gaza wird von der islamistischen Hamas kontrolliert, die auch von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Die genauen Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen.
Israel zweifelt an Zahlen aus dem Gazastreifen
Die israelische Armee äußerte Zweifel an den Zahlen der palästinensischen Seite: Die Zahl der Toten nach einer Explosion an einem Krankenhaus in Gaza seien übertrieben. Die Armee sprach unter Berufung auf Geheimdienstinformationen von gezielter Desinformation. Auch diese Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Das palästinensische Ministerium hatte am Mittwoch von 471 Toten durch den Einschlag einer Rakete gesprochen. Die palästinensische Seite sowie zahlreiche arabische Staaten gaben Israel die Schuld. Israel wies das zurück und machte eine fehlgeleitete Rakete der Terrororganisation "Islamischer Dschihad" im Gazastreifen dafür verantwortlich und legte Bildmaterial vor, das das belegen soll.
Mehr als 500 Festnahmen im Westjordanland
Das israelische Militär teilte außerdem mit, im Westjordanland seit Beginn des jüngsten Konflikts mehr als 524 Verdächtige festgenommen zu haben. Davon seien mehr als 330 aktive Mitglieder der islamistischen Hamas, hieß es. Mehr als 50 Waffen seien zudem konfisziert worden.
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel ist auch die Lage im Westjordanland zunehmend angespannt. Unter der palästinensischen Bevölkerung des Gebiets gab es noch zuletzt eine breite Unterstützung für die islamistisch-militante Hamas. Offizielle Zahlen von Mitgliedern der Hamas-Organisation gibt es nicht. Allerdings zeigte eine Umfrage im September, dass im Falle einer Präsidentschaftswahl Hamas-Chef Ismail Hanija mit der Hälfte der Stimmen rechnen könnte - wenn der einzige weitere Kandidat Präsident Mahmud Abbas wäre.
Mit Informationen von Bettina Meier, ARD Tel Aviv
Die ARD berichtet aus mehreren Studios über die Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten. In Tel Aviv verfolgen insgesamt fünf Korrespondentinnen und Korrespondenten für TV und Hörfunk die Entwicklung in Israel und den palästinensischen Gebieten. Aus Kairo berichten ebenfalls insgesamt fünf Korrespondentinnen und Korrespondenten über die Lage in den Nachbarstaaten Israels. Die Berichterstattung über den Iran, der ebenfalls eine wichtige Rolle im Nahost-Konflikt spielt, wird vom ARD-Studio Istanbul wahrgenommen. Die Einschätzung der Korrespondentinnen und Korrespondenten fußt neben eigenem Erleben vor Ort auf einer Vielzahl von Gesprächen mit regionalen Experten und der Beobachtung regionaler Medien und Agenturen. In den einzelnen Ländern, über die die Studios berichten, und den palästinensischen Gebieten sind überdies lokale freie Mitarbeiter, sogenannte "Stringer", für die ARD tätig, die die Studios mit zusätzlichen Informationen über die jüngsten Entwicklungen versorgen, den Korrespondentinnen und Korrespondenten Gesprächspartner vermitteln, O-Töne besorgen und sie bei Reportagereisen begleiten.