Scholz und Biden in Nahost Krisendiplomatie soll Flächenbrand verhindern
Kanzler Scholz in Ägypten, US-Präsident Biden in Israel: Überschattet von den Berichten über das zerstörte Krankenhaus in Gaza mit vielen Toten geht die Krisendiplomatie weiter. Die Sorge vor einem Flächenbrand in der Region ist groß.
Gestern Tel Aviv, heute Kairo - Bundeskanzler Olaf Scholz ist als Krisendiplomat unterwegs. Er muss dabei die Balance finden zwischen eindeutiger Solidarität mit Israel nach dem Großangriff der militant-islamistischen Hamas und dem Bemühen, das Leid auch der Menschen im von der Hamas regierten Gazastreifen zu lindern. Etwa, indem humanitäre Hilfslieferungen in das abgeriegelte Gebiet kommen.
Überschattet wird sein Besuch in der Region von der Explosion in einem Krankenhaus in Gaza mit vielen Toten. Die Nachricht erreichte den deutschen Kanzler kurz nach seinem Abflug aus Tel Aviv Richtung Kairo. Wer für die Zerstörung der Klinik verantwortlich ist, ist unklar.
Scholz: "Die Palästinenser sind nicht Hamas"
Inzwischen traf Scholz den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. Mit ihm habe er intensiv über die humanitäre Lage im Gazastreifen gesprochen. "Für uns ist klar: Die Palästinenser sind nicht Hamas, und die Hamas hat kein Recht, für die Palästinenser zu sprechen", sagte Scholz. Mit Ägypten arbeite Deutschland daran, dass es so schnell wie möglich einen humanitären Zugang zum Gazastreifen gebe, sagte Scholz. Dabei steht besonders der Grenzübergang Rafah im Blick, der einzige Zugang von Ägypten zum Gazastreifen. Die Grenze ist derzeit geschlossen, tonnenweise Hilfsgüter können daher nicht an die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen geliefert werden.
"Wir lassen die Menschen nicht alleine", versicherte Scholz. "Die Bundesregierung wird ihr humanitäres Engagement für Gaza fortsetzen, um das Leid der Zivilbevölkerung zu lindern." Zugleich verurteilte er erneut "aufs Schärfste" den Großangriff der militant-islamistischen Hamas auf Israel.
Flächenbrand verhindern
Scholz und Al-Sisi treibt die Angst vor einer Ausweitung des Krieges zwischen Israel und der Hamas um, etwa indem die schiitische Hisbollah-Miliz aus dem Libanon heraus, Israel angreift und weitere Länder in der Region ebenfalls eingreifen. So drohte der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian Israel mit einer "Präventiv-Aktion der Achse des Widerstands". Die Bezeichnung "Achse des Widerstands" steht für palästinensische, libanesische, syrische und weitere Bewegungen, die dem Iran nahe stehen und Israel feindlich gesonnen sind.
Ägypten will keine Gaza-Flüchtlinge
Kairo und Berlin eine "das Ziel, einen Flächenbrand im Nahen Osten zu verhindern", unterstrich Scholz. Aus Furcht vor einer Massenflucht lehnt Ägypten - wie auch schon Jordanien - die Aufnahme palästinensischer Flüchtlinge aus dem Gazastreifen ab. Staatschef Al-Sisi sagte: "Die Idee, die Menschen aus Gaza nach Ägypten (...) zu vertreiben, ist nicht umsetzbar und wir warnen vor den damit verbundenen Risiken." Die Sinai-Halbinsel könnte in dem Fall Ausgangspunkt für Angriffe militanter Palästinenser auf Israel werden, für die dann Ägypten verantwortlich gemacht werden könnte. Al-Sisi sagte, sollte es die Idee geben, Palästinenser zu vertreiben, "dann gibt es die Negev-Wüste".
Al-Sisi forderte die internationale Gemeinschaft dazu auf, sofort einzugreifen, um die "vorsätzlichen Praktiken" gegen Zivilisten im von Israel abgeriegelten Gazastreifen zu stoppen. Die Einsätze der israelischen Armee in dem Küstenstreifen hätten militärische und humanitäre Auswirkungen, die außer Kontrolle geraten könnten, warnte er. Es sei dringend notwendig, Perspektiven für eine Lösung zu eröffnen.
In Tel Aviv kam US-Präsident Biden mit Israels Premier Netanyahu zusammen.
Biden bei Netanyahu
Auch US-Präsident Joe Biden bemüht sich in der Region um diplomatische Lösungen. Ein ursprünglich geplanter Vierer-Gipfel in Jordanien ist nach der Explosion in einem Krankenhaus in Gaza jedoch abgesagt worden, was die Erfolgsaussichten für Biden nicht erhöht.
In Tel Aviv kam der US-Präsident mit Israels Premierminister Benjamin Netanyahu zusammen. Beide demonstrierten Einigkeit. Biden erklärte, die USA unterstützten Israel mit allem, was das Land zur Verteidigung gegen die Hamas benötige. Biden äußerte sich auch vorsichtig zur Schuldfrage für die Explosion in dem Krankenhaus in Gaza. "Nach dem, was ich gesehen habe, sieht es so aus, als wäre es von der anderen Mannschaft gemacht worden, nicht von Ihnen", sagte Biden an Netanyahu gewandt. Es gebe jedoch viele Menschen, die sich nicht sicher seien, was die Explosion verursacht habe.
"Danke, Mr. President"
Netanyahu dankte Biden für seinen Besuch. Er sei als erster US-Präsident der Geschichte in Kriegszeiten nach Israel gekommen. "Dies ist zutiefst bewegend", sagte Netanyahu. Es beweise, wie verpflichtet Biden sich persönlich dem jüdischen Volk und dem jüdischen Staat gegenüber sehe. "Danke, Mr. President, dafür, dass Sie Israel zur Seite stehen, heute, morgen und immer."
Die USA gehören zu den wichtigsten Unterstützern Israels. Erst kürzlich kündigte Verteidigungsminister Lloyd Austin die Entsendung eines zweiten Flugzeugträgers in das östliche Mittelmeer an, um vor weiteren Angriffen gegen Israel abzuschrecken - unter anderem ein Signal an die Adresse des Iran.