Gespräch von Biden und al-Sisi Ägypten will Hilfslieferungen nach Gaza zulassen
Bisher war der einzige nicht von Israel kontrollierte Übergang von ägyptischer Seite nach Gaza geschlossen. Nun hat Staatschef al-Sisi offenbar zugesichert, bis zu 20 Lastwagen über die Grenze bei Rafah rollen zu lassen.
Die Versorgung der Menschen im Gazastreifen steht nach dem tödlichen Raketeneinschlag in einer Klinik vor dem Kollaps. Allerdings mehren sich nun die Anzeichen, dass nun doch bald Hilfsgüter in das abgeriegelte Gebiet gelangen könnten.
"Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi und US-Präsident Joe Biden haben sich auf eine dauerhafte Lieferung von humanitärer Hilfe in den Gazastreifen über den Rafah-Grenzübergang geeinigt", erklärte Präsidentensprecher Ahmed Fahmy. Einen Zeitpunkt für einen möglichen Beginn der Lieferungen nannte er nicht. Bisher war der einzige nicht von Israel kontrollierte Übergang von ägyptischer Seite nicht geöffnet worden.
Biden: Lieferung nicht vor Freitag
Biden, der sich inzwischen auf der Rückreise von seinem Besuch in Israel befindet, bestätigte das Telefonat mit Staatschef al-Sisi. Dieser habe zugesagt, "für den Anfang" zunächst "bis zu 20 Laster" über den geschlossenen Grenzübergang Rafah zu lassen. Danach könnten möglicherweise weitere Lieferungen folgen. Biden betonte aber, sollte die in Gaza herrschende Hamas Lieferungen konfiszieren, "dann hört es auf". Vertreter der Vereinten Nationen würden sich auf der Gaza-Seite um die Verteilung der Güter kümmern.
Nach Berichten von vor Ort wurde der Grenzübergang Rafah durch israelischen Beschuss beschädigt und muss nun repariert werden. Rafah, am Südrand der Küstenenklave, gilt als der einzige Weg, die dringend benötigte Hilfe in den Gazastreifen zu bringen. Nach ägyptischen Angaben stehen dort rund 3000 Tonnen Hilfsgüter für die eingeschlossenen Menschen bereit. Laut Biden sind Reparaturen an der Straße nötig. Vor Freitag sei die Lieferung daher nicht zu erwarten.
Russlands Regierung hat nach eigenen Angaben inzwischen 27 Tonnen Hilfsgüter nach Ägypten geschickt, die an die Zivilbevölkerung im Gazastreifen verteilt werden sollen. Eine Sondermaschine sei vom Flughafen Ramenskoje nahe Moskau gestartet und auf dem Weg ins ägyptische El-Arisch, teilte das Zivilschutzministerium mit. Die Lieferung werde dem ägyptischen Roten Halbmond übergeben. Sie enthalte Mehl, Zucker, Reis und Nudeln.
Keine Hilfsgüter an Hamas
Kurz nach dem Treffen mit Biden hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu gesagt, sein Land werde die zunächst blockierten Hilfslieferungen in den Gazastreifen zulassen. Israel werde sich dem Aufruf von Biden, die Zivilbevölkerung im Süden des Gazastreifens mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten zu versorgen, nicht entgegenstellen, teilte sein Büro am Mittwoch in einer Erklärung mit.
Es werde die Hilfslieferungen aus Ägypten so lange zulassen, "wie diese Lieferungen nicht die Hamas erreichen", hieß es weiter. Netanyahu machte deutlich: "Jede Lieferung, die zur Hamas gelangt, wird verhindert." Von israelischem Territorium würden keine Hilfslieferungen für die Bevölkerung im Gazastreifen starten, bis die dort herrschende Hamas all ihre rund 200 aus Israel verschleppten Geiseln freigelassen habe.
UN halten 100 Lkw pro Tag für nötig
Die islamistische Hamas hatte am 7. Oktober bei einem Großangriff auf Israel etwa 1.400 Menschen getötet und rund 200 weitere in den Gazastreifen verschleppt. Israel riegelte daraufhin das Palästinensergebiet ab, stoppte die Lieferung von Treibstoff, Lebensmitteln und Wasser und startete Gegenangriffe. Israels Regierung rief die Menschen in Gaza auf, sich in den Süden zu begeben. Nach UN-Angaben sind inzwischen rund eine Million Menschen dorthin geflohen. Israels Armee spricht von rund 600.000.
Bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats in der Nacht zu Donnerstag forderte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths einen sofortigen Zugang zum Gazastreifen. "Wir brauchen dringend einen Mechanismus, auf den sich alle relevanten Parteien einigen, um die regelmäßige Bereitstellung von Hilfsgütern im gesamten Gazastreifen zu ermöglichen", sagte er. 100 Lastwagen pro Tag müssten die Menschen in Not im gesamten Gazastreifen versorgten.
"Ärzte der Welt": Kaum noch Arzneimittel
Die Hilfsorganisation "Ärzte der Welt" bezeichnete die Absprache zwischen Biden und al-Sisi als eine "sehr, sehr gute Nachricht". Ihr Direktor François De Keersmaeker sagte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF, um die Menschen zu versorgen, dürfe medizinisches Personal aber nicht länger durch Bombardierungen gefährdet werden.
Die gesamte Versorgung der Menschen sei infolge der Eskalation des Nahost-Konflikts zum Erliegen gekommen, es gebe kaum noch Arzneimittel, keinen Treibstoff, keinen Strom und kein Trinkwasser. In den Krankenhäusern könne kaum mehr gearbeitet werden.