Präsident Erdogan vor der Wahl Oppositionsbündnis "von Rache und Gier getrieben"
Ein Wahlsieg der Opposition in der Türkei ist nicht unwahrscheinlich. Präsident Erdogan warnte seine Anhänger für diesen Fall vor Repressalien. Das Oppositionsbündnis sei von "Rache und Gier" getrieben, sagte er bei einem Auftritt.
Kurz vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei hat Präsident Recep Tayyip Erdogan gläubige Anhänger vor Repressalien gewarnt, sollte sein säkular ausgerichteter Herausforderer Kemal Kilicdaroglu an die Macht kommen. "Ihr werdet einen hohen Preis zahlen, wenn wir verlieren", sagte Erdogan bei einer Wahlkampfveranstaltung in einem konservativen Istanbuler Stadtteil vor einer fahnenschwenkenden Menge.
Erdogan warnte, das Oppositionsbündnis Kilicdaroglus sei von "Rache und Gier" getrieben. Dem Westen warf der Präsident vor, die Opposition zu instrumentalisieren, um der türkischen Gesellschaft seinen Willen aufzuzwingen. Für den seit 20 Jahren regierenden Chef der islamisch-konservativen Partei AKP könnte es am Sonntag eng werden.
Kilicdaroglu will Präsidialsystem abschaffen
Sein sozialdemokratischer Widersacher Kilicdaroglu liegt mit seinem Bündnis aus sechs Oppositionsparteien den meisten Umfragen zufolge vorn. Zudem könnte der am Donnerstag erfolgte Rückzug des säkular-nationalistischen Kandidaten und Erdogan-Widersachers Muharrem Ince aus dem Rennen die Chancen der Opposition weiter erhöht haben.
Kilicdaroglus Partei CHP teilte unterdessen mit, ihr Kandidat habe Todesdrohungen erhalten und deswegen bei Wahlkampfauftritten am Freitag eine kugelsichere Weste getragen. Während eines ungewöhnlich kurzen Auftritts in Ankara sagte er vor Tausenden Anhängern: "Seid Ihr bereit, Demokratie in dieses Land zu bringen? Frieden in dieses Land zu bringen? Ich verspreche Euch, ich bin auch bereit."
Der Oppositionskandidat hat angekündigt, im Falle seiner Wahl das von Erdogan eingeführte Präsidialsystem abschaffen zu wollen. Unter anderem soll künftig wieder das Parlament den Regierungschef wählen. Dafür müsste die Opposition aber auch die gleichzeitig stattfindende Parlamentswahl gewinnen.
Erdogan räumt Schwierigkeiten ein
Am Sonntag wählt die Türkei einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament. Rund 64,3 Millionen Türkinnen und Türken - darunter sechs Millionen Erstwähler - sind zur Stimmabgabe aufgerufen. Erdogan hatte bei einem anderen Auftritt in dieser Woche eingeräumt, dass es schwierig für ihn sei, junge Wählerinnen und Wähler zu gewinnen.
"Es gibt eine Generation in unserem Land, die keine der Schwierigkeiten erlebt hat, die wir hatten", sagte er mit Blick auf die Wirtschaftsprobleme der 1990er Jahre. Und da sei es nicht leicht, "dieser neuen Generation unsere Werte zu vermitteln". Zu seiner Prognose zum Wahlausgang befragt, äußerte sich Erdogan, im Gespräch mit einem TV-Sender ungewohnt verhalten: "Die Wahlurnen werden es uns am Sonntag zeigen."