Türkische Präsidentschaftswahl Bewerber Ince zieht Kandidatur zurück
Kurz vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei hat einer der vier Kandidaten überraschend seinen Hut wieder aus dem Ring genommen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Entscheidung im ersten Wahlgang.
Drei Tage vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei hat der Politiker Muharrem Ince seine Kandidatur zurückgezogen. Als Grund nannte der 58-Jährige unter anderem eine Rufmordkampagne gegen sich und bezieht sich damit auf vermeintliche Sex-Bilder von ihm, die seit einigen Tagen kursieren. Der türkische Staat habe es versäumt, ihn zu schützen, so Ince.
Macht Ince Kilicdaroglu zum Präsidenten?
Chancen auf einen Wahlsieg hatte Ince nicht. Umfragen sahen den Vorsitzenden der Vaterlands-Partei zuletzt bei gut zwei Prozent. Allerdings könnte er dem Kandidaten des oppositionellen Sechs-Parteien-Bündnisses, Kemal Kilicdaroglu, mit seinem Ausstieg zum Wahlsieg verhelfen.
Ince ist erklärter Gegner des amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und galt unter seinen Anhängern als Hürde für den Sozialdemokraten Kilicdaroglu, direkt im ersten Wahlgang zu gewinnen. In der Erklärung zu seinem Rückzug sagte Ince dazu, würde die Opposition bei der Wahl am Sonntag verlieren, so würde sie ihm die Schuld daran geben. "Ich will nicht, dass sie eine Ausrede haben."
Ince war bereits 2018 angetreten
In den vergangenen Tagen hatten bereits mehrere Vertreter von Inces Vaterlandspartei ihre Posten geräumt und darauf verwiesen, dass sich die Kandidatur ihres Parteichefs negativ auf die Chancen Kilicdaroglus auswirken könnte. Trotz des Rückzugs wird Inces Name auf den Wahlzetteln am Sonntag auftauchen. Auch auf den Zetteln für Wahlberechtigte im Ausland ist er aufgeführt.
Ince hatte bereits an der Präsidentschaftswahl im Jahr 2018 als Kandidat seiner früheren Partei CHP teilgenommen und war Erdogan unterlegen. 2021 hatte er die Vaterlands-Partei gegründet und machte mit seiner Bewerbung um das Präsidentenamt dem gemeinsamen Kandidaten des Oppositionsbündnisses, Kilicdaroglu, Stimmen abspenstig.
Etwa 64 Millionen Wahlberechtigte
Umfragen sahen den CHP-Chef Kilicdaroglu zuletzt zwischen zwei und zehn Prozentpunkte vor Amtsinhaber Erdogan. Der jüngsten Erhebung des Koda-Instituts zufolge liegt Kilicdaroglu bei 49,3 Prozent, Erdogan bei 43,7 Prozent. Der dritte Bewerber, der Kandidat einer ultranationalistischen Allianz, Sinan Ogan, vereinigt demnach 4,8 Prozent der Stimmen auf sich.
64 Millionen Menschen sind berechtigt, an der Wahl von Präsident und Parlament in der Türkei teilzunehmen. Erdogan regiert seit 20 Jahren in dem Land - zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident. Sollte keiner der Kandidaten im ersten Durchgang mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen, gibt es zwei Wochen später eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten.