Nach Erdbeben in Afghanistan "Die Menschen sind völlig hilflos"
Die Bewohner der Erdbeben-Region in Afghanistan haben fast alles verloren: Angehörige, ihr Zuhause und ihren Besitz. Sie müssen die Toten begraben und aus Sorge vor Nachbeben im Freien schlafen.
Mit der Schaufel buddelt er immer neue Gräber in den harten Boden. Abdul Sattar hat sich zusammen mit anderen freiwillig gemeldet in einem Dorf westlich der Provinzhauptstadt Herat. Sie liegt im Bezirk Zinda Jan, dort wo die Erde am stärksten bebte. Fast alle Menschen in der Umgebung haben Angehörige verloren.
In einem Nachbardorf habe nur ein Geistlicher überlebt, sagt Sattar der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich bin seit fünf Uhr morgens hier. Bis jetzt habe ich 30 Leichen begraben, insgesamt sind es inzwischen mehr als 500 Gräber."
Viele Häuser zerstört
Die oft einfach gebauten Lehmhäuser in der Region sind teilweise schon beim ersten Beben eingestürzt. Aamena hat überlebt. Sie steht zwischen den Trümmern ihres Hauses und schaut zwischen den Steinbrocken, ob sie noch persönliche Habseligkeiten finden kann. Ihre Beine sind notdürftig verbunden. "Ich war in meinem Zimmer, als die Erde bebte. Ich wollte raus, doch der größte Teil meines Körpers wurde eingeklemmt, nur mein Kopf war noch frei. Später haben mich Leute befreit."
Außerhalb des Dorfes wehen weiße Flaggen in der kargen Landschaft - auf jedem Grab eine. Und es sind viele. Ein Bagger hebt eine neue Reihe aus. Abdul Ghafoor hockt vor einem frisch errichteten Erdhügel. Er hat die Augen geschlossen, wippt vor und zurück. Sein Gesichtsausdruck ist schmerzverzerrt. "Acht Mitglieder meiner Familie wurden getötet, nur ich habe überlebt. Jetzt bin ich ganz allein."
Angst vor Nachbeben
Das Ausmaß der Erdbeben für die Menschen in der Region ist unvorstellbar. Sie haben nicht nur viele Angehörige verloren, sondern auch ihr Zuhause. Die meisten müssen jetzt im Freien übernachten - auch aus Angst vor Nachbeben. Erst gestern bebte die Erde wieder. Wenn sie Glück haben, finden sie in Zelten Schutz, die Hilfsorganisationen verteilt haben. Auch Decken, Lebensmittel und Wasser verteilen die Helfer.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind zwei Drittel der Verletzten, die in Krankenhäuser in der Provinz Herat eingeliefert worden sind, Frauen und Kinder.
Hoffen auf internationale Hilfe
Die Taliban haben internationale Hilfsorganisationen um Unterstützung geben. Auch vermögende Afghanen baten sie um Spenden für die betroffenen Menschen in der Provinz Herat. Die Vereinten Nationen und auch die Bundesregierung haben Soforthilfen von jeweils rund fünf Millionen Euro angekündigt.
Der freiwillige Helfer Abdul Sattar, der wohl noch einige Gräber ausheben wird, hofft auf Unterstützung aus dem Ausland. "Ich rufe die internationale Gemeinschaft auf, für die betroffenen Menschen humanitäre und finanzielle Hilfe zu leisten. Ihre erste Hoffnung ist Gott, gefolgt von anderen Ländern. Diese Menschen sind völlig hilflos."