Präsidentenwahl in den USA Die Angst vor einem dritten Kandidaten
Das Rennen zwischen Biden und Trump im November dürfte sehr eng werden. Umso größer ist die Sorge vor allem bei den Demokraten, dass weitere Kandidaten wichtige Stimmen abziehen könnten. Ist die Sorge berechtigt?
Eine Neuauflage der Wahl von 2020 mit den gleichen Kandidaten? Steven Steveson aus Iowa ist wenig begeistert: "Damit kann keiner zufrieden sein, wir wollen eine andere Wahl", fordert der Rechtsanwaltsgehilfe. So wie ihm geht es Millionen Amerikanern: Laut einer Umfrage der "New York Times" macht der Block der sogenannten "Double Haters", die weder Amtsinhaber Joe Biden noch Ex-Präsident Donald Trump wählen wollen, momentan 19 Prozent aus.
Steveson hofft deshalb jetzt auf einen anderen Kandidaten, aufgestellt von der Gruppe "No Labels". Die Organisation hat sich nach eigenem Bekunden die Einigung der gespaltenen Nation auf die Fahnen geschrieben, mit einem Programm des "gesunden Menschenverstandes". Steveson hält das für genau den richtigen Weg: "Amerika funktioniert besser, wenn wir nicht gespalten sind", sagt er.
"No Labels" könnte Stimmen kosten
Es gibt nur ein Problem: Noch hat "No Labels" keine Freiwilligen für das sogenannte "Unity Ticket" gefunden, für das das Präsidenten- und das Vize-Präsidentenamt von einem Demokraten und einem Republikaner besetzt werden sollen. Stattdessen hagelte es Absagen - etwa vom demokratischen Senator Joe Manchin, genauso wie vom republikanischen Ex-Gouverneur Larry Hogan. Auch Nikki Haley, als Präsidentschaftsbewerberin der Republikaner gerade gescheitert, möchte nicht.
Aber schon die vage Aussicht auf weitere Konkurrenz macht das demokratische Lager sehr nervös. Seit Monaten warnt beispielsweise das linksliberale Netzwerk "Move On" vor den Folgen: "'No Labels' ist nicht, was es vorgibt zu sein - es ist nur eine Fassade für Donald Trump", behauptet beispielsweise "Move On"-Aktivist und Ex-Arbeitsminister Robert Reich in einem YouTube-Video.
"No Labels", so heißt es in dem Clip weiter, werde in Wirklichkeit von ultrakonservativen Geldgebern unterstützt. Sie hätten das Ziel, genügend Stimmen von Biden abzugraben, um Trump die Wahl zu garantieren.
Keine Stimme für Biden ist eine Stimme für Trump
Nur ein paar zehntausend Kreuzchen in wenigen entscheidenden Swing States für einen dritten Kandidaten und schon hätte Trump gewonnen, fürchtet auch der Ex-Abgeordnete Dick Gephardt. Der ehemalige Fraktionschef der Demokraten im Kongress engagiert sich jetzt bei "Citizens to save our Republic", einer Organisation, die ebenfalls "No Labels" stoppen will.
"Diese Wahl ist die wichtigste seit 1864", sagt Gephardt im Sender MSNBC mit Verweis auf den amerikanischen Bürgerkrieg. "Ich glaube, wenn Trump gewinnt, ist unsere Demokratie am Ende." Und deshalb müssten alle Dritt-Parteien und -Kandidaten genau überlegen, was sie tun.
Damit meint Gephardt nicht nur "No Labels", sondern auch unabhängige Kandidaten wie den afroamerikanischen Politologen Cornel West, die grüne Kandidatin Jill Stein oder Robert Kennedy Jr., der erst erfolglos für die Demokraten kandidierte und es jetzt allein probieren will. Der 70-jährige Neffe von John F. Kennedy ist zwar noch gar nicht überall zur Wahl zugelassen, aber kommt in Umfragen auf zehn Prozent und mehr Stimmen.
Aussichtslose Drittkandidaten
Doch der Impfgegner Kennedy mit dem klangvollen Nachnamen und einem Hang zu Verschwörungstheorien hat inhaltlich mehr mit Trump als mit Biden gemeinsam, sagt Professorin Barbara Perry von der University of Virgina: "Deshalb glaube ich wird er eher Trump als Biden Stimmen wegnehmen."
Dass schon ein paar hundert Stimmen für einen eigentlich aussichtlosen Kandidaten über die Präsidentschaft entscheiden können, zeige der Blick in die jüngere Geschichte, erklärt die Politologin. Im Jahr 2000 bekam der Grüne Ralph Nader im damals wahlentscheidenden Bundesstaat Florida mehrere zehntausende Stimmen. Nur ein paar davon hätten dem Demokraten Al Gore zum Wahlsieg gereicht. So aber wurde George W. Bush seinerzeit Präsident.
Das sei sicher nicht der Wahlausgang gewesen, den diese grünen Wähler damals wollten, glaubt Politologin Perry. Aber in Amerikas Zweiparteiensystem hätten Drittkandidaten eben praktisch keine Chance, zu gewinnen. Sie können nur Spielverderber sein. Aber wessen Spiel sie diesmal verderben, das ist eben noch nicht entschieden.