US-Blick auf den Ukraine-Krieg Keine Angst vor Putin?
In Deutschland werden die Militärhilfen für die Ukraine wesentlich kontroverser diskutiert als in den USA. Liegt das nur an der größeren geographischen Ferne? Oder gibt es auch andere Gründe?
Mehr als 9000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah und Kiew. Die enorme Distanz ist sicher der Hauptgrund, weshalb sich Amerikaner wie die 20-jährige Studentin Hannah in Sicherheit wähnen. In die USA einzumarschieren - das sei schier unmöglich, meint sie. In Ländern, die geographisch näher an Russland liegen, sei das verständlicherweise anders.
Und dennoch: Hannahs Kommilitone Gavin verspürt schon ein wenig Angst. Das sei ein weiterer Grund dafür, warum er die Nachrichten nicht mehr so intensiv verfolge. Das würde ihn nur stressen, sagt der 20-Jährige.
Das ist bemerkenswert, weil sich die amerikanische Berichterstattung rund um das Für und Wider von Panzerlieferungen mehr um gerechte Lastenverteilung zwischen den Alliierten drehte als um die Gefahr einer unkontrollierbaren Eskalation.
Hoher gesellschaftlicher Rückhalt
Sollte es dazu kommen, so die Einschätzung von Charles Kupchan, Politologe an der Washingtoner Georgetown University, dann würde das den gesellschaftlichen Rückhalt für Militärhilfen eher steigern. "Wenn die Lage eskaliert und sich zu einem Krieg mit Russland ausweiten sollte, wären die Konsequenzen natürlich dramatisch", meint Kupchan. Das würde aber die Unterstützung durch die Bevölkerung stärken. Die sei unverändert hoch, wenngleich nicht mehr so stark wie zu Beginn der Invasion. Umfragen zeigten, dass der Rückhalt zu schwinden beginne. Vor allem, weil sich trotz der Milliardenhilfen keine Lösung abzeichnet.
Im Moment gebe es keine Anzeichen dafür, dass die Russen bereit wären für Verhandlungen. Ihre Bedingungen seien inakzeptabel. Doch wenn noch mehr Menschen sterben und die Ukrainer weitere Gebiete zurückerobern, dann könnte sich das ändern.
Direkte Bedrohung für EU und USA
So beurteilt auch John Herbst die Lage. Er war von 2003 bis 2006 US-Botschafter in Kiew und kennt die umkämpfte Region bestens: Putin selber sei nie davon abgewichen, dass es ihm um eine angebliche "Entnazifizierung" der Ukraine geht. Darum, das Nachbarland unter seine Kontrolle zu bringen. Der Diplomat fordert, der Westen müsse der Ukraine alles zur Verfügung stellen, was das Land für einen Sieg auf dem Schlachtfeld benötigt.
Der Überfall auf die Ukraine stelle eine direkte Bedrohung auch der EU und der USA dar, betont der ehemalige Botschafter. Wenn die Regierung von Joe Biden der Öffentlichkeit das besser erklären würde, dann könnte das den ohnehin schon beachtlichen Rückhalt noch steigern. Die Menschen würden dann mehr Geduld aufbringen für einen Krieg, bei dem kein Ende abzusehen ist.