Nach Flutkatastrophe Sorge vor Cholera-Ausbruch in Libyen
Internationale Helfer berichten von chaotischen Zuständen in Libyen. Nach der Flut sei das Grundwasser unter anderem durch Leichen, Müll und chemische Substanzen verschmutzt, warnte auch das Gesundheitsministerium. Einige Kinder seien bereits erkrankt.
Nach den verheerenden Überschwemmungen im Osten Libyens haben Hilfsorganisationen vor der wachsenden Gefahr sich ausbreitender Krankheiten gewarnt. Internationale Helfer sprechen von einer "katastrophalen humanitären Lage" und chaotischen Zuständen in der teils zerstörten Stadt Darna im Osten des nordafrikanischen Landes.
"Es ist dringend eine Koordination der Hilfe nötig", erklärte die Organisation Ärzte ohne Grenzen am Freitagabend. Ihr erstes Nothilfeteam ist seit Donnerstag vor Ort. Die Überlebenden benötigten jetzt vorrangig Unterkünfte, Nahrung und medizinische Grundversorgung wegen der Sorge vor Cholera und Mangel an sauberem Wasser, erklärte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths in Genf.
Das Gesundheitsministerium in der libyschen Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes warnte laut der Zeitung "Arab News", in Darna gebe es Grundwasser, das mit Leichen, Tierkadavern, Müll und chemischen Substanzen verschmutzt sei. "Wir bitten die Menschen dringend, sich den Brunnen in Darna nicht zu nähern", wurde Gesundheitsminister Ibrahim Al-Arabi zitiert.
Kinder durch verschmutztes Wasser erkrankt
In Darna seien bereits Kinder durch verschmutztes Wasser erkrankt, sagte der Leiter des Nationalen Zentrums für Krankheitsbekämpfung der Nachrichtenseite "Al-Wasat" am Freitag. Die 55 Kinder stammten aus Familien, die durch die zerstörerischen Wassermassen vertrieben wurden, hieß es.
In der Küstenstadt habe sich Trinkwasser mit Abwasser gemischt. "Nach einer solchen Katastrophe machen wir uns wirklich Sorgen über Krankheiten, die sich über kontaminiertes Trinkwasser ausbreiten", sagte die Koordinatorin für medizinische Einsätze bei Ärzte ohne Grenzen, Manoelle Carton. Das Ausmaß des Problems sei noch schwer abzuschätzen. Die Lage in dem Katastrophengebiet blieb weiter unübersichtlich. Es gebe zwar viele Freiwillige aus dem Aus- und Inland, "aber es ist zu viel, es wird chaotisch", so Carton.
"Bedürfnisse sind größer als Fähigkeiten der Organisation"
Es fehle an Absprachen, sagte auch der Einsatzleiter der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften. "Die humanitäre Lage in Libyen ist katastrophal. Die Bedürfnisse sind größer als die Fähigkeiten aller internationalen, in Libyen arbeitenden Organisationen und örtlichen Behörden", sagte der Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Libyen, Baschir Omar, der Nachrichtenagentur dpa.
Libyen ist faktisch gespalten mit zwei verfeindeten Regierungen im Westen sowie im Osten des Landes. Die beiden Lager geben teils widersprüchliche Informationen zur Katastrophenlage in heraus. Die Rivalität erschwert die Koordinierung der Hilfsmaßnahmen.
Dennoch gibt es auch Hilfslieferungen aus dem Westen des Landes: Aus der Hauptstadt Tripolis startete am Freitag ein Flugzeug mit medizinischer Ausrüstung und Lebensmitteln.
Zersetzung und schwere Identifizierung
Zudem wird weiterhin nach Opfern unter Trümmern, an der Küste und im Meer gesucht. Die Rettung sei durch die Ankunft internationaler Helfer zwar beschleunigt worden, sagte ein Mitglied eines militärisch-medizinischen Konvois in Darna, Hischam al-Malti. Dennoch würden sich Leichen nach den bereits vergangenen Tagen seit den Überschwemmungen rasch zersetzen. Weil die Verstorbenen rasch beerdigt würden, werde die Identifizierung der Opfer vernachlässigt und es damit erschwert, auf eine abschließende und verlässliche Zahl der Todesopfer zu kommen.
Zur Zahl der Todesopfer gab es weiterhin widersprüchliche Angaben. Im schwer getroffenen Darna werden bis zu 20.000 Tote befürchtet.