Vier Tage nach der Flut in Libyen "Immer wieder schwemmt das Meer Leichen an"
Es sind apokalyptische Bilder: Immer wieder schwemmt das Mittelmeer Leichen der Flutkatastrophe von Darna an, es drohen Seuchen. Die Menschen in der betroffenen Region verzweifeln und kritisieren die Behörden.
Al Murzah, Ras Ettien, Al Bumbah und Ettamimi - kleine Orte an der Mittelmeerküste östlich von Darna. Die Folgen der Flut sind nun auch hier zunehmend sichtbar. Immer wieder werden Leichen aus dem Mittelmeer angeschwemmt - Menschen, die in Darna von der Kraft der Flut ins Meer gerissen wurden.
Viele der Leichen werden ins Krankenhaus von Tobruk gebracht, rund 150 Kilometer östlich von Darna. Der Umgang mit ihnen bringe neue Gefahren mit sich, berichtet ein Mediziner: "Die Leichen sind jetzt teilweise verwest. Das ist gefährlich für die Helfer. Auf die Bekämpfung von Seuchen sind wir nicht vorbereitet. Wir appellieren an die zuständigen Behörden, uns mit Materialien zu versorgen, die uns gegen Infektionen schützen können."
Beerdigt, ohne identifiziert zu sein
Um Seuchen zu verhindern, werden die Toten so schnell wie möglich begraben. Längst nicht alle konnten zuvor identifiziert werden. Mehr als 3.000 Menschen seien hier bereits beerdigt worden, teilte ein Vertreter der ostlibyschen Regierung gestern mit.
Auch vier Tage nach den verheerenden Überschwemmungen im Osten Libyens bleibt das Ausmaß der Katastrophe weiterhin schwer einzuschätzen. Satellitenbilder von Darna zeigen: Dort, wo vor der Flut noch Häuser in der Nähe des Flussbetts standen, ist jetzt nur noch Zerstörung zu sehen. Abdel-Moneim al-Gheithy, der Bürgermeister von Darna, befürchtet daher, dass die Zahl der Toten noch deutlich steigen wird. Im Fernsehsender Al-Hadath sagte er, dass mit bis zu 20.000 Toten zu rechnen sei. Diese Schätzung beruhe auf der Zahl der zerstörten Viertel und Wohnhäuser in Darna.
Vier Tage nach der Flut ist das ganze Ausmaß der Katastrophe noch nicht abzuschätzen.
Internationale Hilfe trifft ein
Internationale Hilfe läuft jetzt an, Teams aus den Nachbarländern Ägypten und Tunesien sowie aus Katar, der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten sind im Katastrophengebiet eingetroffen. Das deutsche Technische Hilfswerk kündigte an, im Laufe des Tages Zelte, Feldbetten, Decken und Stromgeneratoren nach Darna zu liefern.
Bewohner beklagen fehlende Unterstützung
Inzwischen haben die beiden konkurrierenden Regierungen in Libyen zwar angekündigt, bei der Koordination der Hilfsmaßnahmen zusammenzuarbeiten. Aber gerade in den ersten beiden Tagen nach der Flut gab es so gut wie keine Hilfe, beklagen Bewohner von Darna und auch aus den Nachbarstädten.
Mohamed Younis Deifallah lebt in Susah, westlich von Darna. Auch in seiner Stadt hat der Sturm heftige Zerstörungen angerichtet. Noch immer fehlt es am Nötigsten, berichtet er. "In unserem Viertel kam keine Hilfe an. Wir fordern die Behörden und die Führung der Armee auf, uns mit Wasser zu versorgen."
Kritik an maroder Infrastruktur
Kritik gibt es nicht nur an der stockenden Hilfe, sondern auch daran, dass die libyschen Machthaber viel zu wenig in die marode Infrastruktur in der Region rund um Darna investiert hätten. Die beiden Dämme im Gebirge oberhalb der Stadt, die am Sonntag gebrochen sind, wurden seit Jahrzehnten nicht gewartet.