Nach Überschwemmungen Libyen bittet um internationale Unterstützung
Nach den verheerenden Überschwemmungen in Libyen haben die Behörden die internationale Gemeinschaft um Unterstützung gebeten. Die Türkei hat bereits Hilfe angekündigt. Die Regierung befürchtet mehr als 2.000 Tote.
Im Bürgerkriegsland Libyen ist die Lage nach dem heftigen Unwetter katastrophal. Weite Teile im Norden des Landes sind offenbar überschwemmt. Besonders schwer vom Sturm "Daniel" betroffen ist die Hafenstadt Darna. Die Regenfälle ließen ein durch die Stadt führendes Flussbett über die Ufer treten.
Wie auf von Medien verbreiteten Aufnahmen zu sehen war, überfluteten die Wassermassen zahlreiche an den Ufern gelegene Gebäude. Rettungsmaßnahmen gestalteten sich nach Angaben des Notfalldiensts zum Teil schwierig. Man sei auf die Unterstützung von Hubschraubern angewiesen. Strom- und Internetverbindung seien unterbrochen.
Ein Beamter des Stadtrats berichtete im TV-Sender Libya al-Ahrar vom Einsturz vier wichtiger Brücken und zweier Dämme in Darna. Er unterstrich die Notwendigkeit einer "nationalen und internationalen Intervention". Der Chef des Präsidialrats, Mohamed al-Manfi, bat im Onlinedienst Facebook "brüderliche und befreundete Länder und internationale Organisationen" um Hilfe.
Türkei schickt Rettungstrupps
Die Türkei hat bereits Hilfe angekündigt. Die Regierung schicke drei Flugzeuge mit Rettungs- und Bergungsteams, zwei Such- und Rettungsfahrzeugen und zwei Rettungsbooten, teilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf der Onlineplattform X (vormals Twitter) mit. Das Rettungsteam bestehe aus Mitgliedern der Gendarmerie, der türkischen Katastrophenschutzbehörde AFAD sowie NGOs und sei 168 Personen stark. Auch Zelte, Decken und Versorgungsgüter würden geschickt, so Erdogan.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach dem "libyschen Volk" seine "Solidarität" aus und erklärte, das Land mobilisiere Ressourcen, um Soforthilfe zu leisten. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, sprach den Betroffenen sein "Mitgefühl und Beileid" aus und erklärte, Washington arbeite mit den Vereinten Nationen und den libyschen Behörden zusammen, um Hilfe zu leisten.
Unterschiedliche Angaben zu Todesopfern
Zu Todesopfern liegen keine überprüfbaren Angaben vor. Die Regierung im Osten des Landes rechnet mit Tausenden Toten. Der Ministerpräsident einer der rivalisierenden Regierungen in dem Bürgerkriegsland, Osama Hammad, sagte dem Fernsehsender Al-Massar, er gehe von "mehr als 2.000 Toten und Tausenden Vermissten" allein in Darna aus.
Der Chef der Hilfsorganisation Roter Halbmond in Bengasi, Kais Fhakeri, hatte die Lage zuvor als "katastrophal" beschrieben. Allerdings hatte er lediglich von 150 Toten gesprochen und die Vermutung geäußert, dass die Zahl noch auf 250 steigen könne. Worauf sich die Regionalregierung bei ihren Zahlen beruft, ist unklar. Auch nach Angaben verschiedener ärztlicher Quellen und von Rettungsdiensten werden zahlreiche Menschen noch vermisst. Die Armee teilte mit, unter den Vermissten seien auch sieben Soldaten.
Schwerste Regenfälle seit mehr als 40 Jahren
Neben Darna werden auch aus der Küstenregion Dschabal Al-Achdar mit den Städten Al-Bayda und Susah Überflutungen gemeldet, betroffen ist auch die weiter westlich gelegene Region Al-Mardsch. Auch die Hafenstadt Bengasi ist betroffen - dort wurde eine Ausgangssperre verhängt, die Schulen wurden geschlossen.
Der Sturm "Daniel" war am Sonntag über Libyen gezogen. Die Regierung in der Hauptstadt Tripolis unter Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba sprach von den schwersten Regenfällen seit mehr als 40 Jahren. Nach Angaben der Behörden waren Hunderte Menschen in schwer zugänglichen Gebieten von der Außenwelt abgeschnitten. Vom Militär unterstützte Rettungsteams versuchten, zu ihnen vorzudringen. Im Osten Libyens befinden sich die größten Erdöl-Felder und Hafenterminals für den Ölexport. Die nationale Ölfördergesellschaft (NOC) verhängte angesichts der Überschwemmungen die höchste Alarmstufe und fuhr die Förderaktivität deutlich zurück.
In Libyen war nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. In dem ölreichen Staat in Nordafrika ringen bis heute zahlreiche Milizen um Einfluss. Derzeit kämpfen zwei verfeindete Regierungen mit jeweils einem Sitz im Osten und Westen um die Macht. Alle diplomatischen Bemühungen, den Konflikt friedlich beizulegen, scheiterten bisher. Der Konflikt wird durch ausländische Staaten zusätzlich befeuert.