Flutkatastrophe in Libyen Zivilisten dürfen vorerst nicht nach Darna zurück
Im libyschen Darna werden nach der Flutkatastrophe noch mehr als 10.000 Menschen vermisst. Nun wurde die Stadt für Zivilisten abgeriegelt. Die Zahl der Todesopfer ist inzwischen auf 11.300 gestiegen.
Die libyschen Behörden haben die von der Flutkatastrophe verwüstete Stadt Darna für Zivilisten abgeriegelt. Damit sollte Suchmannschaften ermöglicht werden, in den zerstörten Gebäuden nach mehr als 10.000 Menschen zu suchen, die immer noch vermisst werden.
Darna werde evakuiert, nur Such- und Rettungsteams hätten Zutritt, teilte der Generaldirektor des Ambulanz- und Notfalldienstes im Osten Libyens, Salam al-Fergany, mit.
Der Gesundheitsminister von Ostlibyen, Othman Abdel Dschalil, erklärte, in den zerstörten Gebäuden im Stadtzentrum werde ebenso nach weiteren Opfern gesucht wie im Meer vor Darna.
Der libysche Rote Halbmond bestätigte am Donnerstagabend 11.300 Todesopfer in Darna. In anderen Teilen des Landes kostete Sturm "Daniel" etwa 170 Menschen das Leben.
Lieferung von THW-Hilfsgütern angekommen
Gestern hatte eine erste Lieferung von Hilfsgütern des Technischen Hilfswerks (THW) das Katastrophengebiet erreicht. Eine Maschine mit 17 Tonnen Material an Bord sei in Bengasi gelandet, so die Luftwaffe der Bundeswehr im Onlinedienst X, ehemals Twitter.
Das THW erklärte auf seiner Webseite, die beiden für Libyen bestimmten Flugzeuge hätten 100 Zelte mit Beleuchtung, 1.000 Feldbetten, 1.000 Decken, 1.000 Isomatten, 1.000 Wasserfilter und 80 Stromgeneratoren geladen.
Nicht genug Aufmerksamkeit für Katastrophenmanagement
Lori Hieber Girardet vom UN-Büro für die Katastrophenvorsorge (UNDRR) sagte der Nachrichtenagentur AP, die libyschen Regierungsinstitutionen funktionierten aufgrund des jahrelangen Chaos und des Konflikts im Land nicht so, wie sie sollten. Deshalb sei die Aufmerksamkeit, die dem Katastrophenmanagement gewidmet werden sollte, nicht ausreichend.
Libyen ist durch rivalisierende Regierungen - eine im Osten, die andere im Westen - geteilt, was zu einer weitgehenden Vernachlässigung der Infrastruktur geführt hat. Die Dämme, die außerhalb von Darna brachen, wurden in den 1970er-Jahren gebaut und seit Jahren nicht mehr instandgehalten, wie örtliche Medien berichteten.
Laut Unicef 300.000 Kinder betroffen
Das Kinderhilfswerk UNICEF warnt vor schwerwiegenden Folgen für Jungen und Mädchen. Kinder seien nun einem erhöhten Risiko von Krankheitsausbrüchen, Vertreibung und dem Zusammenbruch der Grundversorgung ausgesetzt, teilte die UN-Organisation in Köln mit.
UNICEF Deutschland schätzte die Zahl der von den Überschwemmungen betroffenen Minderjährigen auf 300.000. Der Leiter von UNICEF in Libyen, Michele Servadei, sagte, die Folgen von Überschwemmungen seien für Kinder oft tödlicher als die extremen Wetterereignisse selbst: "Sie sind einem erhöhten Risiko von Krankheitsausbrüchen, Mangel an sauberem Trinkwasser, Mangelernährung, Lernausfällen und Gewalt ausgesetzt."
Priorität hat laut Servadei für UNICEF daher jetzt, die lebenswichtige Hilfe auszuweiten. Dazu gehöre unter anderem die Bereitstellung von Medikamenten, Trinkwasser und Hygieneartikeln. Auch psychosoziale Hilfe, Unterstützung bei der Suche nach Angehörigen und Maßnahmen, um durch Wasser übertragbare Krankheiten zu vermeiden, seien nötig.
Tief "Daniel" hatte für Katastrophe gesorgt
Tief "Daniel" hatte das nordafrikanische Land am Sonntag erfasst und heftige Regenfälle ausgelöst. Nahe der Stadt Darna brachen zwei Dämme. Ganze Viertel der 100.000 Einwohner zählenden Stadt wurden regelrecht ins Meer gespült.
Fast 900.000 Menschen in fünf Provinzen des Bürgerkriegslandes lebten laut den Vereinten Nationen in Gebieten, die vom Sturm "Daniel" und den dadurch ausgelösten Sturzfluten "direkt und in unterschiedlichem Ausmaß" betroffen seien.