KI in der Bildung Regeln zu ChatGPT an Unis oft unklar
Mit KI lassen sich in kurzer Zeit Texte erzeugen. Ob Studierende die Programme einsetzen dürfen, ist nicht einheitlich geregelt. Oft hängt die Entscheidung am Lehrpersonal, wie eine BR-Umfrage zeigt.
Von Julia Barthel und Rebecca Ciesielski, BR
Mindestens 300 Stunden oder umgerechnet knapp zwei Monate Vollzeitarbeit veranschlagen Universitäten für die Erstellung einer Bachelorarbeit. Könnte der ersehnte Uni-Abschluss mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) künftig schneller und mit weniger Aufwand gelingen?
Um das herauszufinden, hat ein Team des BR einen Versuch durchgeführt: In nur drei Tagen sollte Reporterin Nadine Hadad eine 40-seitige Bachelorarbeit schreiben und dafür die Programme zur Text-Erzeugung ChatGPT und Bing verwenden.
"Herausforderung für Abschlussarbeiten"
In den USA sollen KI-Programme, die Texte generieren, bereits College-Aufnahmetests, Prüfungen an juristischen Fakultäten und Medizinexamen bestanden haben. Auch deutsche Universitäten bereiten sich auf tiefgreifende Veränderungen vor: "Wir erwarten, dass bereits mittelfristig viele der aktuell von Studierenden zu lösenden Problemstellungen gleichwertig oder besser durch eine Künstliche Intelligenz zu erledigen sein werden", so die RWTH Aachen auf BR-Anfrage.
Die Nutzung dieser KI sei insbesondere "für nicht-überwachte Prüfungsformate wie Hausarbeiten oder Abschlussarbeiten eine Herausforderung".
Universitäten ringen um Vorgaben
Ein Team des BR hat eine Umfrage unter den größten deutschen Universitäten durchgeführt. Zehn Hochschulen haben sich zum Einsatz von KI durch Studierende geäußert. An allen Universitäten sind generative Textprogramme wie ChatGPT aktuell ein wichtiges Thema. An manchen Hochschulen fehlen bislang klare Vorgaben, viele überlassen den Lehrenden die Entscheidung über den Einsatz von KI.
"Derzeit wird noch diskutiert, ob es sich bei KI-Systemen um ein unerlaubtes Hilfsmittel handelt", so die FU Berlin. Falls dem so sei, würde deren Einsatz als Täuschungsversuch gewertet. "Solche Regeln können sinnvoll nur die Fakultäten für ihre Disziplinen, Fächer und Studiengänge festlegen", lautet die Einschätzung der Universität Hamburg.
Laut Universität Erlangen-Nürnberg sei es in einigen Fällen angezeigt, die Nutzung von Tools wie ChatGPT zu untersagen, in anderen nicht. Dieser Einschätzung schlossen sich mehrere Hochschulen an.
Köln und Münster verbieten KI für Texte
Fast alle Einrichtungen gaben an, aktuell an verbindlichen Regeln zu arbeiten. Nur zwei Universitäten antworteten, man habe sich für ein generelles Verbot entschieden: Ein KI-generierter Text erfülle laut Uni Köln "nicht das Kriterium der Selbstständigkeit".
KI-Werkzeuge seien daher ein unerlaubtes Hilfsmittel und jeder Einsatz könne je nach Schwere des Falls unterschiedlich sanktioniert werden, "vom Ausspruch einer Verwarnung bis hin zum Entzug des Prüfungsanspruchs". Auch die Uni Münster wertet das Schreiben von Texten mit KI als einen "Rechtsverstoß".
Studenten verunsichert
Die teils nicht existenten, teils unklaren Regeln für KI-geschriebene Texte kritisiert Studierendenvertreter Karl Seyfarth von der LMU München: "Ich habe das Gefühl, dass unsere Uni ein bisschen überfordert ist mit dem Thema. Ich würde mir definitiv mehr Vorgaben wünschen." Die LMU gibt an, man habe bereits mit Studierenden gesprochen. Da die Bedürfnisse verschiedener Fächer sehr unterschiedlich seien, entscheiden die Fakultäten selbst über den Umgang mit KI-Werkzeugen.
Klare Vorgaben fordert auch ein aktuelles Rechtsgutachten, das vom NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft in Auftrag gegeben wurde. Demnach sollten Hochschulen definieren, wann und unter welchen Voraussetzungen KI-Schreibwerkzeuge von Studierenden eingesetzt werden können.
Bachelorarbeit in drei Tagen
Doch können KI-Programme Studierenden überhaupt helfen? Im BR-Versuch erzeugte ChatGPT automatisch eine Gliederung mit verschiedenen Unterpunkten und danach die Inhalte der Kapitel. Da ChatGPT meist fiktive Quellen ausgibt, verwendete Reporterin Hadad im Test auch die Microsoft-Suchmaschine Bing. Diese konnte problemlos auf das Internet zugreifen und dort nach Publikationen suchen.
Der Gesamteindruck sei zunächst gut, sagt Professor Markus Behmer, Dekan der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften der Universität Bamberg, nach Durchsicht der Arbeit. Hinzu komme ein gut lesbarer Schreibstil. "Ganz positiv wirkt auch die Struktur." Wissenschaftlichen Kriterien genüge die Arbeit aber nicht. Die beschriebenen Theorien und die Datenerhebung "haben eigentlich fast nichts miteinander zu tun".
ChatGPT beschäftigt auch Bundestag
Der Einzug von Programmen wie ChatGPT an Hochschulen werde sich nicht aufhalten, sondern nur gut gestalten lassen, sagt Grünen-Bildungspolitiker Kai Gehring. In der Lehre könne Text-generierende Software ein überaus nützliches Werkzeug darstellen, im Prüfungsbereich brauche es aber gute Lösungen und Leitfäden.
Vor einigen Wochen hat der Bildungsausschuss des Bundestags eine Studie zum Thema in Auftrag gegeben. Deren Ergebnissen will der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag nicht vorgreifen: "Ich glaube allerdings, dass wir ein Regelwerk für künstliche Intelligenz benötigen." In wenigen Wochen soll der Ausschuss gemeinsam mit Experten über die Ergebnisse der Studie debattieren.