Künstliche Intelligenz Wettrennen mit makabren Mängeln
Ob Microsoft, Google, Meta, Snapchat oder TikTok: Die Tech-Konzerne versuchen eilig, mit Künstlicher Intelligenz Geschäfte zu machen. Das sorgt für Fehler und Probleme. Wer arbeitet gerade woran?
Microsoft-Chef Satja Nadella ist gut drauf an diesem Februartag. "Wir werden Spaß haben", sagt der Topmanager. Es sei gerade ein aufregende Zeit in der Tech-Industrie. Microsoft hat den KI-Chatbot ChatGPT in seine Suchmaschine eingebaut. Internetsuchen funktionieren nicht mehr nur mit Suchbegriffen; jetzt ist es möglich, komplexe Fragen einzutippen. Das Ergebnis: keine Linklisten mehr wie bisher, sondern Texte mit konkreten Antworten auf die Frage.
Den Gorilla zum Tanzen bringen
Im Vergleich zu Google spielt Microsofts Suchmaschine Bing weltweit nur eine kleine Rolle. Nadella ist davon überzeugt, dass sich das durch die KI ändern könnte. "Google ist der 400 Kilo schwere Gorilla. Durch unsere Innovation wird der sicher zeigen wollen, dass er tanzen kann", sagt er an diesem Tag noch ganz selbstbewusst. "Ich will, dass alle wissen: Wir haben ihn zum Tanzen gebracht."
Tech-Experten halten die Entwicklung tatsächlich für einen großen Sprung. "Ich glaube, das ist ist einer der größten, wenn nicht die größte Veränderung bei Websuche in den letzten 20 Jahren", sagt Casey Newton vom Magazin Plattformer.
Schauspielerin irrtümlich für tot erklärt
Bei einem Test der neuen Bing-Version zeigt sich sehr schnell: Fehlerfrei ist sie nicht. Bei einer Recherche über die Hollywood-Schauspielerin Kim Novak schreibt Bing:
Sie starb am 8. Februar 2023 im Alter von 89 Jahren an einem Herzinfarkt.
Was nicht stimmt - Kim Novak lebt. Microsoft sagt in Redmond, dass der Chatbot nie ganz fehlerfrei sein werde. Man nutze das Feedback aber, um besser zu werden.
Bing greift auch auf Artikel zu, die Verlage auf ihren Seiten nur hinter kostenpflichtigen Paywalls veröffentlichen. "Wir wissen zum Beispiel nicht, wie das dann funktioniert, wenn Informationen aus unseren Artikeln in einem zusammengestellten Text auftauchen", sagt Stefan Scheuer, Tech-Journalist beim "Handelsblatt". Es seien noch "ganz viele Fragen offen"; etwa, wie Verlage dafür entschädigt werden können.
Hektik bei Google
Nur einen Tag nach der Veranstaltung bei Microsoft: Google tanzt nicht, sondern stolpert. In Paris wird "Bard" vorgestellt, ein neues KI-Feature für die Google-Suchmaschine. Das Prinzip ist ähnlich. Antworten auf Suchanfragen sollen in Texten aufbereitet werden. Alles wirkt etwas hektisch.
Erst fehlt ein Handy für eine Produktpräsentation. Und dann macht auch "Bard" Fehler. Der große Unterschied: Während Microsoft schon anfängt, seine neue Bing-Version auszurollen, gibt es von Googles "Bard" noch keinen konkreten Veröffentlichungstermin.
Alle setzen auf den KI-Hype
Der Druck ist offensichtlich gerade sehr groß, KI-Anwendungen zumindest anzukündigen. "Daran merkt man, dass die großen Tech-Firmen neue Märkte, neue Wachstumsfelder suchen. Und KI ist definitiv eines der ganz großen", sagt Bernhard Gold, Tech-Investor im Silicon Valley.
Nicht nur die großen Firmen investieren, auch viele Start-ups setzen auf den KI-Hype. "Es ist manchmal etwas schwer zu unterscheiden: Ist das jetzt ein Marketing-Buzzword, das ein Start-up verwendet, oder wirklich eine innovative Idee?", sagt Gold. Normalerweise ebben Themen irgendwann wieder ab - bei KI glaubt er das nicht.
Meta forscht seit Jahren am Thema
Künstliche Intelligenz verändert aber nicht nur die Internetsuche, sondern zunehmend auch soziale Netzwerke. Der Facebook-Mutterkonzern Meta hat in den vergangenen Tagen angekündigt, neue KI-Features zu entwickeln - zum Beispiel für WhatsApp, den Messenger und Instagram.
Wann die genau kommen sollen, ist unklar. Seit 2015 betreibt Facebook, beziehungsweise Meta, ein "AI-Lab", es wird also seit Jahren in die Entwicklung von KI investiert.
Meta plant einerseits neue Anwendungen für die breite Masse zu veröffentlichen. Außerdem hat der Konzern auch ein eigenes Sprachmodell veröffentlicht. Das soll Forschenden zur Verfügung gestellt werden; auch, um KI-Richtlinien zu entwickeln.
Snapchat warnt vor Beliebigkeit
Die Plattform Snapchat hat ChatGPT in seine Video-App eingebaut, es gibt sie in der kostenpflichtigen App-Variante. "MY AI" heißt das Feature, "Meine Künstliche Intelligenz". Sie gibt Empfehlungen für Geburtstagsgeschenke, schreibt Gedichte oder gibt Tipps für Wochenendausflüge. Snapchat teilt schriftlich mit: "Die große Idee ist, dass wir nicht nur jeden Tag mit unseren Freunden und unserer Familie sprechen, sondern auch jeden Tag mit der KI."
In einer Ankündigung zur neuen Funktion warnt Snapchat allerdings direkt davor. Wörtlich heißt es: "Die Künstliche Intelligenz (…) kann dazu gebracht werden, so ziemlich alles zu sagen." Snapchat erreicht in Deutschland nach eigenen Angaben 13,5 Millionen Menschen und 90 Prozent der 13- bis 24-Jährigen.
TikTok: "So sehen Menschen nicht aus"
Welche Auswirkungen KI-Anwendungen auf Social-Media-Plattformen haben, zeigt auch ein aktueller Trend bei TikTok. Nutzerinnen dort verwenden den KI-Filter "Bold Glamour", was übersetzt so viel wie "gewagter Glamour" heißt. Durch ihn werden Wimpern länger, Lippen voller, Falten verschwinden.
Der Unterschied zu anderen Filtern: Dieser funktioniert so gut, dass er praktisch nicht zu erkennen ist - es sieht sehr echt aus. "Es gibt viele Mädchen da draußen, die nicht erkennen, dass jemand einen Filter benutzt", sagt dazu eine Userin. "Sie jagen Perfektion. Aber so sehen Menschen nicht aus."