Künstliche Intelligenz Digitale Aufholjagd "Made in Europe"
Europa verpasst seit Jahren den Anschluss zu den digitalen Weltmächten USA und China. Im Bereich der Künstlichen Intelligenz bläst die EU jetzt zur Aufholjagd. Google und Co. sollen Auflagen bekommen.
Die EU-Kommission will der europäischen Digitalwirtschaft stärker auf die Sprünge helfen. Die dominierenden Großkonzerne aus den USA und China sollen nach Plänen der EU-Kommission künftig höhere Auflagen bekommen. Damit sind - wie schon beim Datenschutz - globale Auswirkungen wahrscheinlich.
Die Kernidee der Digitalstrategie sieht vor, dass Daten schneller fließen und besser für Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) genutzt werden sollen. "Ich möchte ein digitales Europa, das das Beste Europas widerspiegelt: offen, fair, vielfältig, demokratisch und selbstbewusst", erklärte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
Datenpool zum freien Austausch
Zu den Vorhaben gehört, dass Daten innerhalb der EU künftig einfacher ausgetauscht werden können. "Je mehr Daten wir haben, desto klüger werden unsere Algorithmen", sagte von der Leyen. Deshalb sei der Zugang zu Daten entscheidend.
Für Bereiche wie Verkehrssektor, Gesundheitssystem oder Klimaschutz sollen eigene Datenpools geschaffen werden, in denen Unternehmen, Verwaltungen und Wissenschaftler ihre Daten frei austauschen können.
Künstliche Intelligenz soll vorangetrieben werden
Zugleich will die EU-Kommission den Einsatz Künstlicher Intelligenz vorantreiben. Sie schlägt KI-Regeln vor. Bei risikoreichen Anwendungen wie im Gesundheitssektor und Verkehr sollten KI-Systeme transparent und nachverfolgbar sein und menschlicher Kontrolle unterstehen, erklärte die Behörde. Sie müssten ebenso wie Spielzeug, Autos oder Kosmetik überprüft werden können.
Brüssel will den Schwerpunkt auf alltagstauglichen Entwicklungen setzen. Stichworte waren bei der Präsentation neue Therapien bei schweren Krankheiten, robotergesteuerte Operationen - oder im Bereich der Landwirtschaft eine Produktionsweise, die mit weniger Pflanzenvernichtungsmitteln auskommt.
Mit 20 Milliarden Euro jährlich will die Kommission die Voraussetzungen dafür schaffen, dass vor allem mittelständische Unternehmen und Start-ups auf Künstliche Intelligenz setzen können.
Grundrechte der Europäer im Blick
Als hochriskant bewertet die Kommission den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Medizin, wenn es um sensible Patientendaten geht, im Verkehr, bei polizeilichen Ermittlungen und auch in Bewerbungsverfahren. Hier sind Tests und Zertifizierungen vor einer Zulassung für den europäischen Binnenmarkt geplant.
Bei allen ihren Plänen betonte die Brüsseler Behörde, die Grundrechte der Europäer sollten gewahrt werden. Europa solle unabhängiger von den amerikanischen Tech-Firmen werden. Das erste Rennen um persönliche Daten habe man bereits verpasst, sagte Breton. Aber der Kampf um industrielle Daten starte jetzt - und das Schlachtfeld sei Europa.
Empfindliche Auflagen für Google oder Facebook
Wie groß der Aufholbedarf auf andere Teile der Welt ist, zeigen Daten der Unternehmensberatung McKinsey. Unter den 250 global führenden Tech-Unternehmen entfielen auf europäische Firmen nur acht Prozent der Forschungs- und Entwicklungsausgaben. China liege bei elf Prozent, die USA bei 77.
US-Firmen wie Facebook, Amazon und Google drohen künftig empfindliche Auflagen. Sie könnten etwa zum Teilen ihrer Daten gezwungen werden. Für dominante Marktteilnehmer gebe es besondere Erwägungen, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Zunächst einmal solle jedoch sichergestellt werden, dass die Menschen, die ihre Daten zur Verfügung stellten, Zugang dazu bekämen.
Bislang nur Pläne, keine Gesetzesvorschläge
Reaktionen auf die Vorhaben fielen überwiegend positiv aus. Der europäische Verbraucherverband Beuc betonte, Daten großer Unternehmen müssten Anderen zugänglich sein. "Zu viele Daten sind derzeit in der Hand weniger Industrie-Teilnehmer, die sie exklusiv zu ihrem Vorteil nutzen", erklärte Generaldirektorin Monique Goyens. Der Digitalverband Bitkom befand, die Vorschläge formulierten die richtigen Ziele. "Es fehlen aber die notwendigen Maßnahmen", sagte Präsident Achim Berg.
Bei den Plänen handelt es sich bislang nur um Ankündigungen. Bis konkrete Gesetzesvorschläge auf dem Tisch liegen, dürfte es noch dauern. Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken bedauerte daher, dass bei der Künstlichen Intelligenz nun doch kein Gesetzesvorschlag kam - anders als von der Leyen vor ihrem Amtsantritt angekündigt hatte. Die EU-Kommission wartet nun zunächst einmal auf Feedback und will dies künftig berücksichtigen.
Mit Informationen von Helga Schmidt, ARD-Studio Brüssel