Pläne von von der Leyen Wie Europa digitalisiert werden soll
Ein Kernthema der neuen EU-Kommission soll die digitale Arbeitswelt sein. 40 Prozent der Jobs könnten dadurch wegfallen. Experten sagen eine Polarisierung der Arbeitswelt voraus.
Einen Vorwurf will sich Ursula von der Leyen auf keinen Fall machen lassen: Dass sie die Kernherausforderungen nicht offensiv angeht, die "Meta-Entwicklungen", wie sie sie nennt. Und dazu zählt für die Kommissionspräsidentin "die rasante Digitalisierung unserer Arbeitswelt." Die vierte industrielle Revolution ist in vollem Gang. Die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelten verändert unsere Gesellschaft. Und die neue EU-Kommission macht dieses Thema zu einer Priorität.
Europa hat die Macht, die Digitalisierung zu gestalten
Die Umbrüche durch die Digitalisierung, so hat es von der Leyen bereits in ihrer Bewerbungsrede im Juli betont ,"die wurden von der Wissenschaft lange vorausgesagt". Aber heute spüren EU-Bürger bereits erste konkrete Auswirkungen der digitalen Revolution. "Ob es die Rentnerin in Irland ist, die mit Online-Banking umgehen muss, oder der Arbeiter in Polen, der sich nach 20 Jahren im Job weiterbilden muss um seine Arbeit überhaupt zu behalten."
Europa hat die Macht, die Digitalisierung zu gestalten. Und die US-Digitalgiganten von Amazon bis Facebook auf Dauer fairer zu besteuern - darin ist sich von der Leyen mit ihrer ersten Stellvertreterin, der Digital-und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, völlig einig. Aber der ersten deutschen EU-Kommissionspräsidentin geht es nicht nur um faire Digitalsteuern für Apple, Amazon, Google und Facebook, sondern auch um den Effekt von Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Robotik auf den EU-Arbeitsmarkt.
"Arbeitsplätze werden sich verändern"
Die Angst geht um in der EU. Was passiert, wenn Digitalisierung und künstliche Intelligenz die Arbeitswelt dominieren? An Kassandra-Rufen mangelt es nicht: 40 Prozent der Jobs würden in den nächsten 15 Jahren wegfallen, prophezeit der chinesische Experte Kai-Fu Lee. Die Digitalisierungsstudie der Unternehmensberatung McKinsey kam zu einer ähnlichen Vorhersage. "Ich glaube, die Sorge muss man den Leuten wirklich nehmen. Es gibt eine ganze Reihe von Studien, die uns zeigen, dass die Jobs insgesamt überhaupt nicht verschwinden werden. Die Arbeit geht uns definitiv nicht aus", betont hingegen Wirtschaftswissenschaftlerin Melanie Arntz gegenüber dem ARD-Studio Brüssel. Sie ist eine der führenden EU-Expertinnen für von der Leyens Schwerpunktthema Arbeitsmärkte im Wandel. Für Arntz ist aber auch klar: "Die Arbeitsplätze werden sich verändern. Was in den einzelnen Berufen gefordert ist, wird sich verändern."
Aber was sich in der EU zu wenig verändert, ist die Zahl der digitalen Weiterbildungsangebote. Wer trainiert zum Beispiel in Zukunft das Kassenpersonal der Supermärkte für neue Aufgaben - bevor die Jobs der Betroffenen gefährdet sind? Aus Sicht der Arbeitsmarktexpertin Arntz sind die skandinavischen Länder in diesem Punkt Vorreiter. "Zum Beispiel gibt es in skandinavischen Ländern Angebote, sich temporär aus dem Job ganz oder in Teilzeit rauszunehmen, eine Art Sabbatical zu machen, um fit zu werden für berufliche Veränderungen."
Die EU wird sich verändern
An der sich verschärfenden Spaltung der Gesellschaft durch die Digitalisierung wird das aber nichts ändern. Denn je klüger die Maschine, desto weniger ausgebildet und desto schlechter bezahlt werden in vielen Fällen die Menschen, die mit ihr arbeiten. "Wir sehen eine Polarisierung", bestätigt auch Arbeitsmarktforscherin Arntz. Digitalisierung und kluge Maschinen verschärfen die Zweiteilung der Arbeitsgesellschaft in schlecht bezahlte und hoch dotierte Jobs. In überqualifizierte und in unterqualifizierte Arbeitnehmer.
Arntz ist dennoch optimistisch: "Wir brauchen schon viele Leute, die in der Lage sind, auf hohem Niveau analytisch zu arbeiten. Und gleichzeitig in der Lage sind, gut mit Leuten zu kommunizieren." Für von der Leyen steht fest: Nicht nur wegen des Klimawandels, sondern auch wegen der Digitalisierung, wird in der EU nichts so bleiben wie es ist.