Klimafolgen des Ukraine-Kriegs Russland soll für Umweltzerstörung zahlen
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine soll laut einer Studie bisher einen Klimaschaden verursacht haben, der mit dem Ausstoß von 150 Millionen Tonnen CO2 vergleichbar ist. Die Autoren der Studie regen an, Russland haftbar zu machen.
Einen massiven Klimaschaden, den Russlands Krieg in der Ukraine angerichtet hat, errechnet die zivilgesellschaftlich organisierte internationale "Initiative on GHG accounting of war". Das schlimmste Einzelereignis ist für die Wissenschaftler die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Juni 2023. Vor dem internationalen Strafgericht in Den Haag, der gegen Russlands Präsident Wladimir Putin einen Haftbefehl erlassen hat, könnte das noch zusätzlich als "Ökozid" verfolgt werden.
Der Bruch des Damms führte zu einer zerstörerischen Flut und einem Totalverlust dieses Wasserreservoirs. Weitere Großereignisse sind die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines und die dadurch verursachten Treibhausgasemissionen, die ebenfalls in der Studie berücksichtigt wurden.
Insgesamt kommt die zivilgesellschaftlich organisierte Initiative in ihrer nunmehr dritten Studie über die Umweltfolgen des Ukraine-Kriegs zu dem Ergebnis, dass der Klimaschaden einem Äquivalent von 150 Millionen Tonnen CO2 entspricht, soviel wie die jährlichen CO2-Emissionen Belgiens.
Die Studie, die unter anderem sowohl vom ukrainischen Staat als auch von der European Climate Foundation und vom deutschen Wirtschafts- und Klimaschutzministerium gefördert worden ist, wird am Abend auf der UN-Klimakonferenz in Dubai vorgestellt.
Größter "Schadensposten" sind Wiederaufbau-Emissionen
Verursacht werden die Klimaschäden durch die Kriegshandlungen an sich, durch Truppentransporte und Fluchtbewegungen, aber auch zum Beispiel durch die Folgen von Gebäude-, Wald- und Landschaftsbränden und andere Naturzerstörungen. Den größten "Schadensposten" stellen nach Berechnungen der Autorinnen und Autoren der Studie jedoch die absehbaren Wiederaufbau-Emissionen dar.
Um zerstörte Häuser, Energie- und Industrieanlagen sowie Straßen- und Schienenwege wieder instand zu setzen, werden Zement und Stahl benötigt. Diese Baustoffe sind besonders energieintensiv, ihre Herstellung verursacht nach den Berechnungen der Initiative fast 55 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.
Im Wiederaufbau sehen die Forscher aber auch eine Chance: wenn es der Ukraine gelänge, die Kriegsschäden ressourcenschonend und klimafreundlich durch die Reduktion von energieintensiven Materialien und die Verwendung klimafreundlicher Baustoffe zu beseitigen, ließe sich ein CO2-Einsparvolumen von bis zu 30 Prozent generieren.
Russland soll "Klima-Reparationen" zahlen
Die Initiative hat in der Studie erstmals auch die Kosten der Klimaschäden durch den Ukraine-Krieg berechnet. Die Autorinnen und Autoren kommen dabei auf eine Gesamtsumme von 9,6 Milliarden US-Dollar. Die Rechnung basiert auf einem angenommenen durchschnittlichen CO2-Preis von 64 Dollar pro Tonne CO2-Äquivalent - dem so genannten "Shadow Carbon Price", den etwa auch die Weltbank oder die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zur Grundlage ihrer Berechnungen macht.
Die neun Autorinnen und Autoren empfehlen, Russland für diesen Schaden in Regress zu nehmen. "Es ist noch nie passiert," so der niederländische Klimaforscher Lennard de Klerk, "dass die Klimaschäden eines Krieges einbezogen wurden. Wir sind der Meinung, dass die Russische Föderation zur Rechenschaft gezogen werden muss."
In einer umfassenden juristischen Analyse legen die Wissenschaftler dar, dass die Klimaschäden genauso wie andere Kriegszerstörungen im Ukraine-Schadensregister aufgenommen werden sollten. Dieses Register wird gerade beim Europarat angelegt und soll die Grundlage für Reparationsregelungen nach dem Krieg darstellen. Für die Aufnahme von Klimaschäden in ein solches Reparationsregister gibt es bisher allerdings keinen Präzedenzfall.
Militär und Krieg - ein "blinder Fleck" in der Klimaforschung
Die klimaschädlichen Zerstörungen in der Ukraine treffen die ganze Welt und auch Russland selbst. Das Land ist durch den Klimawandel massiv betroffen, etwa durch die riesigen Waldbrände in Sibirien oder das Auftauen des Permafrostbodens in den arktischen Regionen.
Für das Putin-Regime scheine das alles aber keine Rolle zu spielen, stellt Lennard de Klerk fest: "Um den Ausstoß zu verringern, machen die eigentlich gar nichts. Zum Beispiel in den erneuerbaren Energien hat Russland kaum Fortschritte gemacht und setzt nur auf fossile Brennstoffe, auch für die eigene Energieerzeugung. Der russischen Regierung ist der Klimawandel offenbar egal."