Ölkäfer krabbelt auf Pflanzen.

Berichte über Ausbreitung Wie gefährlich ist der Ölkäfer wirklich?

Stand: 09.05.2023 18:01 Uhr

Mehrere Medien berichteten über die Ausbreitung des giftigen Ölkäfers. Experten warnen vor Panik: Das Tier sei hierzulande sehr selten, die Vergiftungsgefahr eher gering. Was man beachten sollte, wenn man dennoch einen sieht.

"Giftige Ölkäfer breiten sich aus" - solche oder ähnliche Meldungen sind derzeit in zahlreichen Medien zu lesen. Darin wird, oft in besorgtem Ton, vor dem schwarzblauen Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) gewarnt. Doch sind die giftigen Tiere in Deutschland wirklich auf dem Vormarsch?

Experten sind da skeptisch. So widersprach etwa der Naturschutzbund Deutschland (NABU) den Darstellungen: "Er ist weder neu noch breitet er sich stark aus, wie oft behauptet wird. Im Gegenteil - er ist in seinem Bestand gefährdet und steht auf der Roten Liste." Auch die Deutsche Wildtier Stiftung teilte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit, dass ihr keine Informationen über eine Ausbreitung des Ölkäfers vorlägen.

Komplizierte Fortpflanzung

Und auch der Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts, Thomas Schmitt, erklärt im Gespräch mit tagesschau.de, er sehe keine Hinweise auf eine vermehrte Ausbreitung. Das Tier sei zwar in ganz Deutschland verbreitet, vor allem im Nordosten, komme aber insgesamt nur selten vor.

"Der Ölkäfer ist vor allem wegen seines äußerst komplizierten Lebenszyklus und seiner Fortpflanzung in Gefahr. Denn er ist als Larve auf spezielle Wildbienenarten als Wirt angewiesen, deren Zahlen aber rückläufig sind." Deshalb werde nur aus den allerwenigsten der bis zu 10.000 Eier, die ein Käferweibchen legt, auch wirklich ein weiterer Käfer.

Unfälle sehr unwahrscheinlich

Tatsächlich verfügen die Käfer über ein sehr wirksames Gift, das beim Schutz vor Fressfeinden aus den Poren und an den Kniegelenken des Insekts austritt. Doch um sich als erwachsener Mensch zu vergiften, "muss man sich schon sehr anstrengen", so Biologe Schmitt. "Man müsste einige Käfer essen, was eher nicht zufällig passiert. Zudem hat das Gift offenbar einen unglaublich bitteren Geschmack."

Auch deshalb seien Unfälle mit Kindern, die möglicherweise Krabbeltiere in den Mund nehmen, extrem unwahrscheinlich. Dem Insektenforscher ist auch kein einziger Fall einer Vergiftung durch Ölkäfer in den letzten Jahren bekannt.

Liebestrank und Hinrichtungsmittel

Die Tiere wurden hingegen im antiken Griechenland als Hinrichtungsmittel eingesetzt. Verurteilte wurden mit dem Käfergift Cantharidin getötet - "ein mieser Missbrauch dieser faszinierenden Tiere", findet Schmitt. Doch es gibt in der Geschichte auch zahlreiche Beispiele für andere Nutzungen: Im ägyptischen Papyrus Ebers (um 1550 v. Chr.) wird das wahrscheinlich älteste Ölkäferpflaster beschrieben. Als eine Art Zugsalbe wurden die Tiere bei Entzündungen eingesetzt.

Zudem wurden sie als Aphrodisiakum eingesetzt. In Honig zubereitet, gehörten die Tiere in früheren Jahrhunderten zu den bekanntesten "Liebestränken" zur Steigerung der sexuellen Potenz. Jedoch mit Nebenwirkungen: Schwere gesundheitliche Schäden konnten die Folge sein, zum Beispiel Kopfschmerz, beschleunigter Puls, Atemnot, Schwindel oder Dauererektionen.

"Bewundern und in Ruhe lassen"

Im Frühjahr, ab Mitte März bis zum Juni, sind die Tiere besonders aktiv. Wenn man dann doch mal einen der etwa drei Zentimeter großen Käfer in der Natur sieht, gilt laut Schmitt: "Bewundern und in Ruhe lassen. Also nicht anfassen." Falls doch aus irgendwelchen Gründen ein Hautkontakt zustande kommt, sollte man sich die Hände gründlich waschen. Es kann auch zu Rötungen kommen, die aber nicht lebensgefährlich sind.

Auch der NABU rät zu mehr Gelassenheit im Umgang mit den Insekten. Ölkäfer, die Nosferatu-Spinne oder die Hornisse seien "keinesfalls angriffslustige Killer", die es auf den Menschen abgesehen hätten, teilte Bundesgeschäftsführer Leif Miller mit. "Wenn man diese Tiere in Ruhe lässt, entstehen auch keine gefährlichen Situationen - weder für den Menschen noch für die Tiere selbst." Es bestehe demnach kein Grund zur Panik.