Schutz von Biodiversität Die Leistungsbilanz der Ökosysteme
Intakte Ökosysteme haben einen hohen wirtschaftlichen Nutzen. Doch lässt sich die Leistung von Wäldern, Mooren und Insekten überhaupt beziffern? Ein ökonomischer Blick auf Biodiversität.
Biodiversität ist ein Wirtschaftsfaktor. Und Forscher haben versucht, die Leistungen der Ökosysteme für den Menschen monetär zu beziffern - also das Zusammenspiel von Mikroorganismen, Tieren und Pflanzen. "Dazu gehört so etwas wie die Bereitstellung fruchtbarer Böden oder die Bestäubung von Nutzpflanzen, die Stabilisierung des Weltklimas oder die Reinerhaltung von Luft und Wasser", erklärt die Tropenbiologin Frauke Fischer gegenüber tagesschau.de.
Auf insgesamt 125 Billionen US-Dollar im Jahr hat ein Team von Wissenschaftlern um Robert Costanza von der Australian National University in Canberra die globalen "Ökodienstleistungen" geschätzt. Das war im Jahr 2011 und entsprach damals dem Doppelten des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Eine solche Gesamtbilanz der Leistung des Weltökosystems wurde bislang nur zweimal erhoben, da diese extrem aufwendig sei, so Fischer. Die Bilanz zeige, wie groß die ökonomische Bedeutung der Ökosysteme sei.
An fruchtbaren Böden hängt die Ernährung
"Diese Ökosystemleistungen können wir teilweise überhaupt nicht ersetzen, wie zum Beispiel die Generierung fruchtbarer Böden, von denen ja unsere Welternährung abhängt", so die Expertin. Dies sei kaum im öffentlichen Bewusstsein angekommen.
Vor gut 20 Jahren hat Frauke Fischer Deutschlands erste Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Biodiversität in Frankfurt gegründet - die "Agentur auf!". Immer mehr Unternehmen interessierten sich seither für das Thema. Aktuell berät die Agentur etwa Fintechs bei der Entwicklung von Anlageprodukten mit einem positiven Effekt auf Biodiversität.
"Was sich lohnt, wird finanziert"
Allerdings flössen die großen Kapitalströme immer noch dorthin, wo die kurzfristige Rendite locke, sagt Christian Klein, der an der Universität Kassel zu nachhaltiger Finanzwirtschaft forscht. "Kapitalmärkte funktionieren nun mal so: alles was sich lohnt, wird auch finanziert. Egal, ob es grün ist oder braun, gefährlich oder ungefährlich." Beispiele seien Investitionen in fossile Energieträgern wie Öl und Gas - ungeachtet der Umweltrisiken. Oder große Lebensmittel-Konzerne, die Regenwald zerstörten, weil es kurzfristig den Anbau von Kakao billiger macht.
In einigen Branchen indes würden Risiken durch die Zerstörung der Ökosysteme schon eingepreist - etwa bei Versicherungskonzernen, die mit höheren Schäden durch den Klimawandel rechnen müssen. Oder Unternehmen der Lebensmittelbranche, die durch den Verlust von Artenvielfalt die Ernährungssicherheit gefährdet sehen.
Langsames Umdenken
Ein Umdenken finde statt, aber ganz langsam, sagt Biodiversitäts-Expertin Fischer. "Im Moment sehen wir einen Wettlauf zwischen denen, die Geld damit machen, Regenwald zu zerstören und denjenigen, die darüber nachdenken, wie man Regenwald erhält. Und die Methode Regenwald zu zerstören und Geld damit zu verdienen, die betreiben wir seit fast 200 Jahren und leider sehr erfolgreich." Die Methode, Regenwald zu schützen und dabei Geld zu verdienen, sei gerade erst dabei sich zu entwickeln, so Fischer.
Den Schutz von Ökosystemen mit kurzfristiger Rendite in Einklang zu bringen, scheint derzeit fast unmöglich. Auf lange Sicht sieht es anders aus. So haben die Vereinten Nationen Anfang vergangenen Jahres ihren Mitgliedsstaaten empfohlen, auch "Ökosystemdienstleistungen" zum Bruttoinlandsprodukt zu zählen, wie beispielsweise Wälder oder Feuchtgebiete. Diese Neubewertung der natürlichen Ressourcen könnte eine Chance sein - wenn genügend Staaten mitmachen.