Ansicht einer Wespe

Neue Art entdeckt Eine Wespe namens Kretschmann

Stand: 27.04.2023 10:19 Uhr

Eine Doktorandin aus Stuttgart erforscht eine neue Wespenart. Das millimetergroße Insekt hat ein besonderes Merkmal, das die Fachwelt staunen lässt - und einen prominenten Namensgeber.

Von Thomas Hillebrandt und Lena Schmidt, SWR.

Unbekannte Lebewesen leben nicht nur in weit entfernten Tropenwäldern oder der Tiefe des Meeres - manchmal befinden sie sich direkt vor der Nase. Ausgerüstet mit speziellen Zeltfallen und Insektenkeschern entdeckte Marina Moser, Doktorandin am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart, auf einer Expedition durch ein Naturschutzgebiet bei Tübingen eine neue Wespenart. 

Noch niemand sonst hat ein solches Tier gefunden und wissenschaftlich beschrieben. Ihre Erkenntnisse veröffentlichte das Forschungsteam um Moser jetzt im Fachmagazin European Journal of Taxonomy.  

Ehrung für Ministerpräsidenten

Auch der Name der Wespe verweist auf den Entdeckungsort im Südwesten: Die neue Art "Aphanogmus kretschmanni" haben die Forscherinnen und Forscher nach Winfried Kretschmann, dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg benannt. Das solle seinen Einsatz für den Erhalt der Biodiversität ehren.

Forscherin beim Aufbau einer Insektenfalle auf einer Wiese

Mit speziellen Zeltfallen, aber auch traditionellen Insektenkeschern macht sich Marina Moser im Südwesten auf die Suche nach Insekten.

Eine Reihe an Stacheln am Hinterleib

Die Wespe gehört zu den Ceraphronoidea, eine Familie der Hautflügler. Es handelt sich um parasitoide Wespen, die wie andere Parasiten einen anderen Organismus zum Überleben benötigen, einen "Wirt". Die Wespen legen ihre Eier in anderen Insekten ab, so auch die neue Aphanogmus-Art.

Das Insekt fiel Moser bei ihren Untersuchungen sofort ins Auge, da es anders ausgesehen habe als alle anderen. Ihr besonderes Merkmal: Eine Reihe an Stacheln am Hinterleib, die zuvor bei keinen anderen Hautflüglern gefunden wurden. Mit der Stachelreihe öffnet die Wespe möglicherweise die Oberfläche der Wirtsinsekten. Die Stacheln wären damit eine Art "biologische Säge" - doch dies ist nur eine erste Vermutung der Biologin. Vieles über die Wespe bleibt geheimnisvoll. Denn Mosers Fund ist das bislang einzige Exemplar weltweit.

3D-Modell einer Wespe

Eine Reihe von Stacheln am Hinterleib könnte als eine Art Säge fungieren.

Von Artensterben bedroht

Es gibt noch viel mehr als die etwa 1,8 Millionen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, die bereits bekannt sind. Einige Arten verschwinden jedoch, bevor sie überhaupt entdeckt werden. "Durch den Artenschwund wird es uns nicht leichter gemacht, diese Arten zu entdecken", sagt Moser.

Parasitoide Wespen wie die "Aphanogmus kretschmanni" halten durch ihre Lebensweise Ökosysteme im Gleichgewicht, doch sind durch die Abhängigkeit von bestimmten Wirtsinsekten überproportional durch das Insektensterben bedroht. Schätzungsweise sterben jährlich 27.000 Arten aus. Das bedeutet das Sterben von 150 Arten - pro Tag.

Pestizide, Lichtverschmutzung, Klimawandel

Die Gründe für das Artensterben sind vielfältig. Insekten sind beispielsweise durch den Einsatz von Pestiziden oder auch Lichtverschmutzung gefährdet. Auch der Klimawandel verändert die Lebensräume der Tiere nachhaltig. 

Erst wenn der Lebensraum und die Lebensweise gefährdeter Arten besser erforscht werden, können geeignete Naturschutzmaßnahmen ergriffen werden.

Tausende Insektenarten unentdeckt

In Deutschland sollen insbesondere zwei bislang kaum bearbeitete Tiergruppen mit dem Großprojekt "GBOL III: Dark Taxa" erforscht werden: Mücken und parasitoide Wespen. Arten, über die man nichts oder kaum etwas weiß, werden Dark Taxa - "dunkles Taxon" - genannt. Die Taxonomie beschäftigt sich mit der Einordnung von Lebewesen in systematische Gruppen, die sogenannten Taxone.

Auch Moser forscht im Rahmen dieses Projekts. Dark Taxa aus Fliegen, Mücken und parasitoiden Wespen machen zusammen geschätzt etwa ein Viertel der in Deutschland heimischen Tierwelt aus. Tausende Arten könnten damit noch unentdeckt sein. Deshalb ist auch Mosers Forschung noch nicht abgeschlossen. "Wer weiß, was wir hier in dem Gebiet noch alles entdecken können", sagt die Biologin dem SWR. "Da wartet bestimmt noch ganz viel Unbekanntes auf uns."

Ziel des GBOL III-Projekts ist es, die Biodiversität in Deutschland besser zu erschließen. Denn genau das sei im Hinblick des aktuellen dramatischen Insektenrückgangs von enormer Wichtigkeit, heißt es auf der Webseite des Projekts.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Bayern 2 am 27. April 2023 ab 06:05 Uhr.