Sultan al-Jaber, spricht während einer Plenarsitzung auf dem UN-Klimagipfel COP28 in Dubai.
interview

COP28-Abschlusserklärung "Gar nicht schlecht, was da drinsteht"

Stand: 13.12.2023 20:17 Uhr

Das Schlussdokument der Klimakonferenz sei zwar relativ unverbindlich formuliert, analysiert Klimaforscher Rahmstorf im Gespräch mit der tagesschau. Aber erstmals stehe drin, dass eine Abkehr von fossilen Energien notwendig sei.

tagesschau.de: Herr Rahmstorf, Konferenzpräsident Sultan al-Dschaber hat die Abschlusserklärung als historisch bezeichnet, sind Sie seiner Meinung?

Stefan Rahmstorf: Man kann sie vielleicht historisch nennen, weil zum ersten Mal wirklich drinsteht, dass eine Abkehr von fossilen Brennstoffen notwendig ist - dass wir bis 2050 bei netto null Emissionen sein müssen. Die Sprache ist natürlich relativ weich und unverbindlich, weil es eben das Konsensverfahren dieser UN-Klimagipfel ist, dass auch der letzte Ölstaat zustimmen muss. Und dafür, dass das der Fall ist, ist das gar nicht schlecht, was da drinsteht.

Stefan Rahmstorf
Zur Person

Stefan Rahmstorf leitet die Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und ist Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. In seinen Forschungsarbeiten beschäftigt er sich mit den Auswirkungen der Klimaveränderung auf die Meereströmungen, den Meeresspiegel und auf Extremwetterereignisse.

Ökosysteme leiden schon jetzt

tagesschau.de: Warum ist es denn so wichtig, dass wir von diesen fossilen Brennstoffen irgendwann wirklich Abstand nehmen?

Rahmstorf: Es ist letztlich, würde ich sagen, überlebenswichtig für die menschliche Zivilisation. Wir erzeugen eine höchst gefährliche Erderwärmung, eine wirkliche Klimakrise, mit diesen fossilen Emissionen. Das stabile Klima der letzten 10.000 Jahre - das Holozän, in dem die Menschheit die Landwirtschaft entwickelt hat, sesshaft wurde, gediehen ist - das haben wir schon hinter uns gelassen.

Und je weiter wir uns von diesem stabilen Klima wegbewegen, desto eher kommen wir an Belastungsgrenzen, bei deren Überschreiten dann zum Beispiel Ökosysteme absterben - denken Sie an den vertrockneten Wald im Harz. Aber auch an die Grenzen unserer menschlichen Infrastruktur, etwa dadurch dass Extrem-Niederschläge so stark zunehmen. Beispiel Ahrtal, oder diesen Sommer in Griechenland: riesige Gebiete unter Wasser, weil die Flüsse solche nie dagewesenen Niederschläge einfach nicht mehr aufnehmen können.

"Jetzt müssen wir eine Vollbremsung hinlegen"

tagesschau.de: Was nicht in diesem Abschlusspapier steht, ist der Zeitrahmen, in dem die Abkehr von den fossilen Energien passieren soll. Wie wichtig ist dieser Aspekt?

Rahmstorf: Immerhin steht drin: in Übereinstimmung mit dem 1,5-Grad-Pfad. Das ist sehr wichtig. Jetzt muss man sich klarmachen: Was bedeutet das? Es bedeutet, dass wir bis 2030 die weltweiten Treibhausgasemissionen halbieren müssen. Das ist so tough, weil es eben Jahrzehnte verzögert wurde.

Hätten wir nach dem Klimagipfel 1992 in Rio wirklich angefangen, die Emissionen zu mindern, hätte man es sehr allmählich machen können. Aber dank der vielen Widerstände, gerade auch von Interessensgruppen, wurde es immer weiter hinausgezögert. Jetzt müssen wir eine Vollbremsung hinlegen bei den globalen Emissionen, um das allgemein anerkannte Ziel von 1,5 Grad, das alle Staaten in Paris unterzeichnet haben, noch erreichen zu können. Und das steht ja auch in diesem neuen Abschlusspapier drin: 1,5 Grad. Und das ist jetzt sehr tough.

Stefan Rahmstorf, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, über die Einigung auf der Klimakonferenz in Dubai

tagesschau24

"Wahrscheinlich werden wir diese 1,5 Grad immer häufiger überschreiten"

tagesschau.de: Sind denn die 1,5 Grad als Ziel noch erreichbar? Wo sind wir im Moment mit der Erwärmung?

Rahmstorf: Wir sind zwischen 1,2 und 1,3 Grad. Und wir haben ja gerade im vergangenen Sommer einen fast unglaublichen, - jedenfalls seit Beginn der Messungen - nie dagewesenen Erwärmungsschub erlebt. Mehrere Monate hintereinander, mit mehr als 1,5 Grad. Damit ist das Paris-Ziel noch nicht gerissen, weil sich das auf den Langzeittrend bezieht und nicht auf einzelne Monate oder einzelne Jahre. Aber wahrscheinlich werden wir diese 1,5 Grad immer häufiger überschreiten.

Wir sehen ja auch an den zahllosen extremen Wetterereignissen, dass wir jetzt wirklich in einen Gefahrenbereich gekommen sind. Bei weiterer Erwärmung werden zunehmend Teile der Tropen so heiß werden, dass sie nahezu unbewohnbar sind. Und das trifft dann Hunderte Millionen Menschen, die sich nach besseren Siedlungsgebieten umschauen würden.

Regierungen sollten Klimaziele einhalten

tagesschau.de: Was müssten die Länder, insbesondere Deutschland, nach dieser COP-Entscheidung jetzt tun? Was erwarten Sie da als Wissenschaftler?

Rahmstorf: Wir müssen deutlich beschleunigen bei der Energiewende - nicht nur im Stromsektor, sondern auch in den anderen Sektoren. Wir haben die eigenen Klimaziele des Klimaschutzgesetzes im Verkehr, im Gebäudesektor nicht eingehalten. Und das Klimaschutzgesetz sagt, dass dann ein Sofortprogramm her muss. Sogar ein Gericht hat angemahnt, dass das passieren muss.

Aus meiner Sicht ist es ein großer Fehler, wenn die Bundesregierung die Klimapolitik noch aufweicht, indem sie jetzt die Sektorziele abschafft. Denn man kann nicht sagen: Ja, weil wir im Bereich Stromerzeugung sehr gut vorangekommen sind, können wir jetzt langsamer im Verkehr oder Gebäudebereich machen. Denn wir müssen in allen Sektoren auf Null.

Denken Sie an Gebäudesanierung, an andere Heizungssysteme, die man einbauen muss. Das braucht einfach Zeit. Und deswegen muss man jetzt nicht den Druck rausnehmen aus einzelnen Sektoren, die nur langsam zu transformieren sind, sondern im Gegenteil, da müssen wir beschleunigen. Und das Wort beschleunigen steht ja zum Glück auch in dieser Abschlusserklärung mehrfach drin.

Erneuerbare Energien wachsen weltweit

tagesschau.de: Sind wir denn in irgendeinem Bereich schon gut vorangeschritten?

Rahmstorf: Ja, im Bereich Erneuerbare Energien. Das hat sicher alle Erwartungen übertroffen. In meiner Jugend hieß es, wir können höchstens wenige Prozent des Stroms mit Erneuerbaren erzeugen. In Deutschland sind wir da jetzt schon um die 50 Prozent. Und auch weltweit ist die Energiewende ja in vollem Gange. Die Internationale Energieagentur hat festgestellt, dass im vergangenen Jahr von den weltweiten Investitionen in das Stromsystem über 80 Prozent bereits in Erneuerbare gehen. Die Erneuerbaren wachsen exponentiell weltweit und haben ja auch die Erzeugung von Atomstrom schon deutlich hinter sich gelassen.

Das Gespräch führte Anja Martini, Wissenschaftsredakteurin tagesschau. Es wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redigiert.