UN-Klimakonferenz CO2 aus der Atmosphäre holen - aber wie?
Klimaexperten warnen, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht engehalten werden kann und uns für 2050 bis zu 2,6 Grad Erwärmung drohen. Die Lösung wären weniger Emissionen und eine Abscheidung von CO2 aus der Atmosphäre.
Wir tun zu wenig gegen den Klimawandel: das 1,5 Grad-Ziel für 2050 ist so gut wie gescheitert, sagen die Fachleute des Weltklimarates IPCC. Schon in den 2030er Jahren könnten wir darüber liegen. Für 2050 rechnen die Vereinten Nationen auf Basis bisheriger Zusagen zur Treibhausgas-Einsparung mit einem Temperaturanstieg von bis zu 2,6 Grad. Fakt ist: um die Erderwärmung zu begrenzen, müssen die Emissionen massiv runter - weltweit steigen sie aber immer noch an.
Die Erkenntnis ist nicht neu: Kohlendioxid muss zusätzlich auch in großer Menge aus der Atmosphäre entfernt werden. Ebenso dringend, wie dauerhaft. Man spricht dabei von Carbon Dioxide Removal (CDR).
Wie groß ist die Aufgabe?
Wie viel CO2 aus der Atmosphäre gezogen werden muss, um bestimmte Ziele zu erreichen, hängt von diesen Zielen selbst ab, und davon, wie schnell und wie drastisch Emissionen verringert werden. Entsprechend groß ist die Spannbreite der Schätzungen durch das IPCC. Doch egal, ob bis 2050 "nur" 100 oder doch eher 1.000 Gigatonnen aus der Atmosphäre geholt werden müssten - die Aufgabe ist gigantisch.
Kohlenstoffsenken, verzweifelt gesucht!
Natürliche erweiterbare Kohlenstoffsenken sind zum Beispiel Wälder, Ozeane und Böden. Doch die haben ihre Grenzen: Bäume brauchen Zeit zum Wachsen, Wälder viel Platz, und im Zuge der Erderwärmung steigt die Waldbrandgefahr. In den Ozeanen per Düngung große Algenteppiche wachsen zu lassen, um sie als Kohlenstoffsenken zu nutzen, ist auch keine sichere Bank: wie langfristig CO2 darin festgelegt werden kann, welche Auswirkungen sie auf marine Ökosysteme hätten, ist unklar. Wegen der nötigen massiven Eingriffe sprechen viele Fachleute hier auch nicht mehr von natürlichen Kohlenstoffsenken, sondern von naturbasierten Methoden. Sie allein werden nicht reichen.
Technische Verfahren sollen helfen
Es gibt verschiedene technische Ansätze, um CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre zu entfernen - manchmal werden sie auch miteinander kombiniert. Eines der wichtigsten Kürzel in diesem Zusammenhang: CCS - Carbon Capture and Storage. Dabei wird Kohlendioxid aus Industrieanlagen oder Kraftwerken abgezogen, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Das CO2 wird dann verflüssigt oder per Pipeline zu Speicherstätten transportiert und dort möglichst dauerhaft gespeichert. Dazu wird das Gas in unterirdische Gesteinsschichten verpresst, auf dem Festland oder unter dem Meeresboden. Die Energie für diese Prozesse und den Transport sollte möglichst aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden - sonst entstehen dadurch selbst Emissionen und die Effizienz des gesamten Prozesses sinkt.
Ein Sonderfall ist BECCS - dabei wird Biomasse zur Energie- und Wärmegewinnung verbrannt, das entstehende CO2-abgeschieden und gespeichert.
Große Hoffnungen richten sich auch auf Direct Air Capture (DAC) - hier wird Kohlendioxid nicht aus Prozessen abgefangen, sondern direkt aus der Luft gefischt und anschließend dauerhaft festgelegt. Damit lassen sich sogar sogenannte "Negativ-Emissionen" erreichen. Die brauchen wir unbedingt, weil manche Prozesse - zum Beispiel in Industrie und Landwirtschaft - nicht ganz ohne Emissionen möglich sind. Auch solche unvermeidbaren oder "Residualemissionen" müssen wir ausgleichen - DAC kann dazu beitragen.
Sind Methoden wie CCS oder DAC der Königsweg?
Der technische Aufwand für solche Anlagen ist hoch - die Kapazitäten bisher aber sehr, sehr gering. Norwegen gilt dabei als einer der Vorreiter. Der Hintergrund: das Erdgasgemisch der Vorkommen dort hat einen relativ hohen Kohlendioxid-Anteil. Seit mehr als zehn Jahren trennt man deshalb CO2 schon bei der Förderung ab und presst es zurück in den Boden. Etwa eine Million Tonnen pro Jahr - klingt erstmal gut.
Aber: wenn man die Schätzungen des IPCC zugrunde legt, wird jährlich mindestens das 1.000- bis 10.000fache nötig sein. Nicht nur die Abscheidung an sich, sondern vor allem auch die Speicherkapazitäten müssen noch geschaffen bzw. erschlossen werden. Manche Kritikerinnen und Kriitker fürchten sogar, dass die Hoffnung auf technische Lösungen dem eigentlichen Anliegen, dem Klimaschutz schaden könnte.
Trojanische Fossil-Pferde und CCS-Psychologie
Ein Vorwurf lautet: Energieriesen könnten Techniken zur CO2-Abscheidung und -Speicherung als Feigenblatt nutzen. Auch die Gastgeber der COP28, die Vereinigten Arabischen Emirate, stehen in diesem Verdacht: die VAE haben erst kürzlich angekündigt, sie wollten die Förderung fossiler Energieträger weiter steigern.
Ein anderer Kritikpunkt: CO2 kann zum Beispiel auch in fast erschöpfte Gas- oder Ölfelder geleitet werden. Dabei könnten zuvor unrentabel gewordene Lagerstätten doch wieder wirtschaftlich attraktiv werden. Dann würde Erdöl oder Erdgas gefördert, das ohne die CO2 Verpressung unter Tage geblieben wäre - mit entsprechenden Emissionen durch deren Verwendung.
Auch psychologische Effekte könnten klimaschädlich wirken: wenn eine "technische Lösung" winkt, könnten Menschen oder Institutionen weniger motiviert sein, die grundlegenden Ursachen des Problems zu bekämpfen. In der Psychologie ist dieser Effekte als "moralisches Risiko" bekannt, andere Effekte könnten so genannter "Technologischer Optimismus" und "Psychologische Distanz" sein: die blinde Hoffnung auf technische Lösung, und damit verbunden ein geringeres Problembewusstsein beim Klimaschutz.
Dringender denn je: Alle Möglichkeiten ausschöpfen
Fachleute sind sich allerdings weitgehend einig: technische Lösungen sind ein wichtiger, unverzichtbarer Mosaikstein, wenn wir die Erderwärmung nun doch noch möglichst effektiv bremsen wollen. Wir brauchen dafür einen konsequenten Dreiklang aus massiv gedrosselten Emissionen, ausgebauten natürlichen bzw. naturbasierten Kohlenstoffsenken und technischen Lösungen.