"Globale Bedrohung" WHO besorgt über Antibiotika-Resistenzen
Antibiotikaresistente Bakterien haben laut der WHO teils zugenommen. Das liege vor allem daran, dass die Medikamente zu häufig eingesetzt würden. Das müsse sich ändern, fordern Experten - aber das Zeitfenster ist eng.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich besorgt über die zunehmende Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika geäußert. Einem neuen Bericht der Organisation zufolge ist die Zahl resistenter Bakterien, die lebensbedrohliche Blutvergiftungen hervorrufen können, im ersten Jahr der Corona-Pandemie gestiegen. "Die Antibiotika-Resistenz ist eine globale Bedrohung, sowohl für die öffentliche Gesundheit als auch die Wirtschaft", sagte WHO-Expertin Catharina van Weezenbeek.
Nach Schätzungen der WHO sterben jedes Jahr 1,3 Millionen Menschen, weil Antibiotika bei ihren Infektionen nicht wirken. Erst kürzlich hatte die EU-Gesundheitsbehörde ECDC berichtet, dass im Europäischen Wirtschaftsraum jährlich mehr als 35.000 Menschen aufgrund von Antibiotika-Resistenzen sterben. Die gesundheitlichen Folgen seien vergleichbar mit denen von Grippe, Tuberkulose und HIV/Aids zusammen, teilte die Behörde mit.
In Deutschland sterben nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) jährlich etwa 2500 Menschen allein durch multiresistente Erreger, also solche, die gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig resistent sind. Hinzu kommen Todesfälle im Zuge von Einzelresistenzen. Laut dem Bericht der WHO habe der übermäßige Gebrauch oder Missbrauch von Antibiotika dazu beigetragen, dass Mikroben gegen viele Behandlungen resistent geworden sind.
Mehr Blutbahn-Infektionen
Während die meisten Resistenztrends seit 2017 stabil geblieben seien, haben Infektionen im Blutkreislauf aufgrund resistenter Bakterien nach Angaben der WHO zugenommen. Von 2017 bis 2021 sei die Zahl durch resistente Escherichia-coli- und Salmonella-spp.- sowie resistente Gonorrhoe-Bakterien weltweit um mindestens 15 Prozent gestiegen, heißt es. Möglich sei, dass dies auch auf den häufigen Einsatz von Antibiotika im Rahmen der Corona-Pandemie zurückzuführen sei. Das müsste nun genauer untersucht werden.
Bei Bakterien wie Klebsiella pneumoniae und Acinetobacter spp., die häufig Blutbahn-Infektionen in Krankenhäusern verursachen, würden inzwischen teils hohe Resistenzwerte von etwa 50 Prozent gegen üblicherweise verwendete Mittel gemeldet, berichtete die WHO. Sie müssten mit den stärksten Antibiotika behandelt werden.
Fehlende Mittel, schwierige Datenlage
Insgesamt berichteten 127 Länder seit 2017 an die WHO-Datenbank. Im ersten Pandemie-Jahr in 2020 seien es nur 87 Länder gewesen. Die Organisation betonte auch, dass bessere Daten nötig seien. In manchen Ländern kämen Meldungen nur aus wenigen hoch spezialisierten Kliniken, in denen naturgemäß nur die schwersten Fälle behandelt würden. Deshalb könne das Bild verzerrt sein.
In vielen ärmeren Ländern fehlten Labore und Diagnosemittel, so die WHO. So entstehe Druck auf Ärzte und Kliniken, ohne klare Diagnose die neuesten und stärksten Mittel einzusetzen, selbst, wenn das womöglich gar nicht nötig sei, sagte van Weezenbeek. Die Expertinnen und Experten forderten daher mehr Geld für die Forschung und Bekämpfung von Resistenzen.
Das Zeitfenster ist "sehr eng"
Die WHO sieht einen Hoffnungsschimmer, wenn schnell gehandelt wird, wie WHO-Expertin Carmem Pessoa-Silva sagte: Die Resistenzen von Bakterien gegen Mittel, die zur Zeit noch als "letzte Rettung" eingesetzt werden, seien noch gering. Wenn unnötige und falsche Anwendungen unterbunden würden, könnten sie länger wirksam bleiben. Aber das Zeitfenster, um zu reagieren, sei "sehr eng", sagte Pessoa-Silva. Nötig sei es auch, neue Klassen von Antibiotika zu entwickeln. Gerade in Krankenhäusern zirkulieren oft Bakterien, gegen die kaum ein Antibiotikum mehr wirkt.
Von Antibiotika-Resistenz sprechen Expertinnen und Experten, wenn Patienten auf ein Antibiotikum nicht reagieren, das heißt, wenn die krankmachenden Bakterien durch das Antibiotikum nicht vernichtet werden. Multiresistent werden Erreger genannt, gegen die gleich mehrere oder alle verfügbaren Antibiotika nicht mehr wirken.