Ein Schwarm Schneegänse

Vogelgrippe Neue Varianten bedrohen Artenvielfalt

Stand: 16.02.2023 20:04 Uhr

Trotz einiger Fälle unter Säugetieren ist die Vogelgrippe vor allem eine Gefahr für Vögel. Millionen Tiere sind schon gestorben. Das Massensterben ist auch eine Bedrohung für die Artenvielfalt.

Von Von Yasmin Appelhans, NDR

Die Vogelgrippe greift immer weiter um sich. Allein zwischen September und Dezember letzten Jahres mussten in Europa 50 Millionen Tiere auf Geflügelfarmen gekeult werden. Der Ausbruch im Winter 2021 und 2022 war der weltweit größte bisher. Er hält noch immer an und ein Ende ist nicht abzusehen.  

Jetzt auch viele Wildtiere infiziert

Längst sind nicht mehr nur Geflügelställe massenhaft betroffen, erklärt Martin Beer, Fachtierarzt für Virologie am Friedrich-Loeffler-Institut auf der Greifswald-Insel Riems. "Das Wichtigste, was sich geändert hat, ist, dass das Virus offenbar viel besser an Wildvögel angepasst ist", sagt er über den Subtyp der Influenza H5N1, besser bekannt als Erreger der Vogelgrippe. 

Hinzu kommt, dass das Virus seit einiger Zeit nicht nur in den kalten Monaten, sondern auch im Sommer auftritt und sich damit immer weiter verbreiten kann. 

Bedrohung für die Artenvielfalt

Das Virus ist für Vögel also so gefährlich wie nie zuvor. Das gilt besonders für bestimmte Vogelarten, sagt die Veterinärmedizinerin Ursula Höfle, die an der Universität Castilla-La Mancha in Spanien forscht: "Das ist das eigentliche Drama mit diesem Virus. Es befällt Arten, bei denen wir das noch nie zuvor gesehen haben. Zum Beispiel große Aasfresser wie Geier."  

 

Ein Geier auf einem Vogelmarkt bei Schneefall.

Die Vogelgrippe ist sowohl für Aasfresser wie Geier gefährlich, ...

Wie tödlich das Virus ist, hängt von der jeweiligen Vogelart ab. Es gibt Arten, für die das Virus besonders gefährlich ist. Zum Beispiel für den ohnehin schon stark bedrohten Krauskopfpelikan. Im vergangenen Frühling brach in der vormals größten Kolonie in Griechenland das Virus aus. Von vormals mehr als 1000 Vögeln seien hier nur noch ungefähr 60 übrig, berichtet Höfle. 

Viele Millionen Vögel verschiedener Arten sind jetzt schon an der Vogelgrippe gestorben. Das Virus bedroht also stark die Artenvielfalt unter Vögeln. 

Vögel in der Antarktis und in Australien

Weil auch andere Vogelarten als zuvor betroffen sind, ist die Sorge bei Forschenden groß, dass sich die Vogelgrippe nun in Gebieten ausbreitet, die bisher von der Vogelgrippe verschont waren. Schon jetzt gibt es Fälle bei Vogelarten weit im Süden Südamerikas. "Der Gedanke, dass es an einem Ort wie der Antarktis landen könnte, ist wirklich besorgniserregend", warnt Ian Brown von der Animal and Plant Health Agency im britischen Weybridge.   

Auch der australische Kontinent ist bisher von der Vogelgrippe verschont geblieben. Zum einen, weil an der Grenze scharfe Kontrollen von Reisenden stattfinden, die keine Produkte, wie Geflügelfleisch oder Eier einführen dürfen. Aber auch, weil die Arten von Wildvögeln, die über große Entfernungen nach Australien fliegen, den Erreger bisher nicht übertragen haben. "Aber jetzt müssen wir das alles neu überdenken, denn dieses Virus scheint in der Lage zu sein, so gut wie jede Vogelpopulation zu infizieren, auf die es trifft", so Brown. 

 

Auch Säugetiere betroffen

Auch Säugetiere können sich mit dem Erreger der Vogelgrippe anstecken und daran erkranken. Bisher war dafür ein direkter Kontakt mit einem infizierten Vogel nötig. Jetzt traten allerdings Hunderte Fälle in einer Nerzfarm in Spanien, in einer Seelöwenkolonie in Peru und bei Robben im Kaspischen Meer auf. Die bloße Zahl deutet darauf hin, dass sie sich auch untereinander angesteckt haben könnten.  

Die Seehunde und Robben könnten auch nur in großen Mengen verendender Seevögel gefressen und sich so angesteckt haben. Ähnliches wurde auch schon bei Seehunden in Deutschland beobachtet. Ob es in diesen Fällen tatsächlich eine Übertragung von Säugetier zu Säugetier gab, muss durch Sequenzierung der Erreger ermittelt werden. Bisher gibt es noch keine sicheren Erkenntnisse. 

Noch keine Gefahr für den Menschen

Menschen können sich ebenfalls mit der Vogelgrippe infizieren. Auch einige Todesfälle gab es schon. Der Infektionsweg ist bisher der Gleiche wie bei Säugetieren: Auch Menschen müssen sich direkt bei infizierten Vögeln anstecken.  

Sollte sich herausstellen, dass das Virus unter Säugetieren weitergegeben wurde, wäre das jedoch noch kein Grund zur größeren Beunruhigung. Denn Tiere wie Nerze und Seelöwen haben andere Rezeptoren und ein anderes Immunsystem als der Mensch. Dadurch sind sie anfälliger für Infektionen mit Vogelgrippe. Gefährlicher wäre es laut Experten beispielsweise, wenn sich Schweine untereinander anstecken könnten. Denn Schweine sind dem Menschen in dieser Hinsicht ähnlicher. 

Damit das Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden könnte, müsste es sich also noch stark verändern. Da sich das Virus unter Vögeln derzeit aber ungehindert verbreiten kann, ist hier laut Brown eine starke Überwachung nötig: "Wir sollten nicht untätig bleiben, denn wir wissen natürlich, was mit dem Coronavirus passiert ist." 

Brutstätten vermeiden

Um zu verhindern, dass sich das Virus immer weiter verbreitet, werden in einigen Ländern Impfstoffe für Vögel eingesetzt. Allerdings muss dazu besonders in großen Geflügelbetrieben sichergestellt werden, dass auch wirklich alle Tiere geimpft sind. Zudem ist dies keine endgültige Lösung, selbst wenn die Impfstoffe in naher Zukunft überall zugelassen sein sollten. Denn eine Impfung von Wildvögeln ist fast unmöglich.  

Laut Beer, dem Fachtierarzt und Forscher von Riems, könnte aber zum Beispiel ein Verbot großer Nerzfarmen verhindern, dass riesigen Ansammlungen von Tieren potentiell zu Brutstätten des Virus werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 15. Februar 2023 um 07:55 Uhr.