Raumfahrt Wie sich ein Trip ins All auf die Gesundheit auswirkt
Eine Reise ins All hat gesundheitliche Folgen für einen Menschen. Ein Forschungsteam hat nun eine Studie vorgestellt, für die nicht nur Profi-Astronauten, sondern auch Weltraumtouristen untersucht wurden.
Der menschliche Körper ist nicht für die Schwerelosigkeit gemacht. Die Schwerelosigkeit geht schnell auf die Knochen und die Muskulatur. Die Raumschiffe sind eng, laut und schützen nicht komplett vor der gefährlichen Strahlung im All. Das sind nur einige der medizinischen Aspekte der Raumfahrt.
Natürlich wird die Gesundheit seit Beginn der astronautischen Raumfahrt erforscht, aber fast nur an professionellen Astronautinnen und Astronauten - weil das lange die einzigen Menschen waren, die ins All geflogen sind. Die trainieren jahrelang auf ihre Flüge hin und werden dabei ständig medizinisch begleitet. Sie sind kerngesund und fit. Doch mittlerweile starten immer mehr Menschen ohne langjährige Ausbildung ins All - ein Glücksfall für die Forschung.
Raumfahrt-Touristen werden medizinisch untersucht
Urlaub im All - das ist für die meisten Menschen zwar noch komplett unerschwinglich, aber es ist nicht mehr so weit hergeholt wie noch etwa Anfang des Jahrhunderts. Immer mehr Menschen fliegen ins All, darunter auch jetzt schon Laien, die nicht ihr ganzes Leben darauf hintrainieren.
Da stellt sich die Frage, ob ein "normaler" Körper das überhaupt mitmacht. Ein Team von Forschenden aus 25 Ländern hat jetzt fast 1.200 Proben der Inspiration4-Crew untersucht und die Ergebnisse vorgestellt. Inspiration4 war der erste mehrtägige Flug ins All, bei dem nur Privatpersonen mitflogen.
"Zugang zum All demokratisieren"
Einer der Forschenden ist Chris Mason, Professor für computergestützte Genomik an der Cornell Universität in New York: "Die meisten Änderungen, die im All stattfinden - zum Beispiel an den Telomeren, der Zusammensetzung des Bluts, der Proteine und Gene - die scheinen fast alle innerhalb von wenigen Monaten wieder zu ihren Normalwerten zurückzukehren, was auf eine schnelle Erholung hindeutet."
Das hätten die Forschenden schon früher gesehen, "aber weil die Crew nur aus Privatpersonen bestand, heißt das, dass wir das All immer weiter für mehr und mehr Menschen öffnen und den Zugang demokratisieren können", erklärt Mason.
Einfluss auf die Gene
Eine der größten Überraschungen in der Astromedizin sind die Änderungen an den sogenannten Telomeren. Telomere sind die Enden der Chromosomen, sie stabilisieren und schützen diese. Telomere bestehen aus kurzen, sich tausendfach wiederholenden DNA-Sequenzen und gelten als Marker für das Altern, da sie in den meisten Zellen mit dem Alter immer kürzer werden.
"Es gibt aber eine ganze Reihe weiterer Faktoren, wie Stress oder Strahlung, die Telomere kürzen können", sagt Susan Bailey, Professorin für Biologie der Strahlenheilkunde an der Colorado State University.
Schon bei früheren Missionen im All konnten Wissenschaftler etwas Ungewöhnliches beobachten. Die Telomere wurden, so Bailey, während des Flugs länger. Das hat die Forschenden ziemlich überrascht. Sie versuchten daher herauszufinden, ob das immer so ist.
Deswegen war es für die Forscherinnen und Forscher um Bailey so spannend, die dreitägige Inspiration-4-Mission zu beobachten. Davor hatten sie sich nur ganz- oder halbjährige Missionen angeschaut. Jetzt konnten die Forschenden der Frage nachgehen, wie schnell das passiert. Sehr schnell, scheint die Antwort darauf zu sein. Bei allen vier Mitgliedern der Inspiration4-Crew konnten schon nach drei Tagen längere Telomere nachgewiesen werden.
Keine Verjüngungskur
Als genetische Verjüngungskur scheint sich die Raumfahrt allerdings wahrscheinlich nicht zu eignen. Denn Susan Bailey denkt nicht, dass Telomere in den Zellen während eines Fluges ins All verlängert werden.
"Wir haben uns Blut angeschaut, Lymphozyten. Die sind sehr anfällig für Strahlung. Also ist es nicht überraschend, dass viele davon sterben", berichtet Bailey. "Wenn dann neue heranwachsen und ins Blut gespült werden, sind die viel stammzellähnlicher und haben an sich längere Telomere.“
Längere Telomere im Blut könnten also ein Zeichen einer Stressreaktion sein: Lymphozyten sterben und werden durch neue, jüngere mit längeren Telomeren ersetzt. Das zeigt sich auch darin, dass die Telomere nach der Rückkehr zur Erde sehr schnell wieder kürzer werden. Am Ende sind sie sogar kürzer als vor dem Flug.
Frauen scheinen sich besser für Raumfahrt zu eignen
Ein anderes interessantes Ergebnis der Untersuchung ist: Frauen haben offenbar eine höhere Resilienz gegenüber genetischen Schäden. Rein medizinisch würde das bedeuten, sie wären besser für lange Flüge im All geeignet.
Der genaue Grund dafür ist nicht bekannt, die Forschenden spekulieren, dass Frauen besser an starke physiologische Änderungen des Körpers angepasst sind, da sie mit Schwangerschaften umgehen müssen.
Die Forschenden untersuchten noch viele weitere gesundheitliche Faktoren und ergänzten die Daten mit denen von mehr als 60 weiteren Astronauten. Diese Datensammlung stellen sie allen Forschenden frei zur Verfügung und hoffen so auf noch weitere Erkenntnisse. Außerdem bewahren sie auch einige Proben der Inspiration4-Mission auf, damit diese in Zukunft mit neueren Methoden noch genauer untersucht werden können.
Nervige Mitbewohner gibt es auch im All
Es gebe aber keine Anzeichen, dass auch längere Flüge, etwa zum Mars, aus medizinischen Gründen ausgeschlossen wären, sagt Chris Mason. Die größten Hürden für solche Flüge seien aber anderer Natur, so Mason: "Lebenserhaltungssysteme und die Herstellung von Nahrung und Medikamenten, zum Beispiel."
Doch auch der psycho-soziale Aspekt, der Zusammenhalt, spiele eine Rolle. "Wer schon mal einen nervigen Mitbewohner hatte, weiß was ich meine", erklärt Mason. "Aber Space-X, die NASA und andere stecken da viel Energie rein und versuchen, diesen Zusammenhalt schon vor dem Flug zu schaffen."