Tag der Organspende Bekommen Menschen bald Organe von Tieren?
Spenderorgane sind Mangelware. Ein Ausweg könnte die Organspende von gentechnisch veränderten Schweinen zum Menschen sein. Daran wird auch in Deutschland geforscht.
Im Januar 2022 vermeldeten Ärzte aus Baltimore in den USA eine medizinische Sensation: In einer 8-stündigen Operation gelang es erstmals, einem Patienten ein Schweineherz einzusetzen. Der 57-jährige David Bennett war bereits zu krank, um für ein menschliches Spenderorgan in Frage zu kommen. Die Transplantation des Schweineorgans war seine einzige Hoffnung.
Forschung auch in Deutschland
Eine solche Organtransplantation vom Tier zum Menschen wird in der Fachsprache Xenotransplantation genannt. Auch in Deutschland wird sie erprobt, bisher allerdings nur im Tierversuch. Federführend ist dabei das Uniklinikum München, das an der Transplantation von Schweineherzen forscht.
In der Vergangenheit transplantierte das Münchner Forschungsteam bereits erfolgreich das Herz von gentechnisch veränderten Landrasse-Schweinen in Affen. Doch es gibt Hindernisse: Das Gewebe dieser Schweine kann Viren enthalten, auf die das Immunsystem des Empfängers nicht vorbereitet ist. Außerdem werden die Organe der Schweine deutlich größer als die von Menschen oder Affen.
Spezielle Schweinerasse
Das Münchner Team ist deshalb auf eine spezielle Schweinerasse umgestiegen, sogenannte Auckland Island Pigs, die von einer Insel bei Neuseeland stammen. Durch die Abgeschiedenheit auf der Insel kommen bestimmte Viren bei den Schweinen nicht vor. Auckland-Island-Schweine sind außerdem kleiner, ihre Organe werden ähnlich groß wie die eines Menschen.
Damit es nicht zu einer Abstoßungsreaktion kommt, sind fünf Gene der Schweine gentechnisch verändert. Außerdem wachsen die Tiere in einer keimfreien Umgebung auf, und die Organe werden vor der Transplantation gründlich auf Schweine-Viren untersucht.
Medikamente verhindern Abstoßung
Nach der Transplantation sind zudem spezielle Medikamente nötig, damit der Körper das fremde Gewebe nicht angreift, auch bekannt als Immunsuppression.
Die konventionelle Immunsuppression, die bei menschlichen Spenderorganen zum Einsatz kommt, sei bei der Xenotransplantation nicht ausreichend, erklärt Michael Schmoeckel vom Münchner Uniklinikum. Der Herzchirurg beschäftigt sich bereits seit über dreißig Jahren mit der Xenotransplantation. Wegen der Unterschiede zwischen Mensch und Tier sei eine stärkere Immunsuppression nötig.
Theoretisch lassen sich auch andere Organe verpflanzen, beispielsweise die Lunge oder die Leber. Doch hier sind die Unterschiede zwischen Schwein und Mensch größer, die Transplantation ist deutlich komplexer. In Deutschland wird neben dem Herzen auch die Transplantation von Nieren und den insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse erforscht.
Methode ist ethisch umstritten
Die Forschung an Tieren als "Organ-Ersatzteillager" für den Menschen ist ethisch nicht unumstritten. Immerhin geht es um Tierversuche, Gentechnik und Nutztierhaltung. Die Grenze zwischen Mensch und Tier verschwimmt.
Doch die Aussicht auf ein längeres Leben stelle diese Bedenken in den Schatten, sagt Michael Schmoeckel: "Wenn Sie Patienten auf der Organ-Warteliste fragen, sagen die Ihnen: Wenn es funktionieren würde, hätten wir kein Problem damit, mit einem Schweineherzen oder einer Schweineniere zu überleben. Hauptsache wir überleben."
Bisherige Patienten überlebten nicht lange
Im Tierversuch lebten Affen bereits mehr als ein Jahr mit transplantierten Schweineorganen weiter. Doch im Gegensatz zu den gesunden Versuchstieren waren die Versuche bei schwerkranken Menschen bislang weniger erfolgreich.
Zwei Monate lebte der Patient aus den USA mit dem neuen Herzen weiter, dann verstarb er. Vermutliche Todesursache: Ein Virus im eingepflanzten Gewebe, für das das vorherige Screening nicht genau genug war.
Ein weiterer Patient mit einem transplantierten Schweineherz überlebte ebenfalls nur wenige Wochen, vermutlich weil die Immunsuppression nicht ausreichend war und er Bluttransfusionen erhalten hatte, die auf das Organ reagierten.
Es ist noch viel zu lernen
Der erste Patient mit einer transplantierten Schweineniere verstarb ebenfalls zwei Monate nach der Operation. Auch er war bereits schwer krank, seine Ärzte vermuten einen Herzinfarkt als Folge seiner langjährigen Krankheit. Eine Nebenwirkung der Medikamente gegen die Abstoßungsreaktion sei ebenfalls denkbar, so Schmoeckel, viele Fragen seien noch offen.
Der Herzchirurg aus München ist sich dennoch sicher, dass es sich hier um vermeidbare Komplikationen handelt, die in Zukunft umgangen werden können. Mit jedem transplantierten Schweineorgan kann die Medizin also dazulernen - in Zukunft soll auch die Erfahrung aus Deutschland dazu beitragen.
Klinische Studie geplant
Doch zunächst muss das Münchner Team nachweisen, dass auch die Organe der Auckland-Island-Schweine erfolgreich in Affen transplantiert werden können. Laut Schmoeckel wird derzeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut über eine klinische Pilotstudie verhandelt, bis dahin seien jedoch noch mindestens zwei Jahre Forschungsarbeit nötig. Wenn der Plan aufgeht, könnten dann auch in Deutschland die ersten Patienten ein Organ erhalten, das aus einem Tier stammt.