Kaiserschnittbabys Stillen für ein gutes Mikrobiom
Bei einer Geburt per Kaiserschnitt kommt das Kind kaum mit wichtigen Bakterien aus dem Vaginal- und Darmsekret der Mutter in Kontakt. Laut einer Studie lässt sich dieses Defizit kompensieren - durch Stillen und Kuscheln.
Mit welchen Mikroben, also Bakterien, Viren oder Pilzen, wir zu Beginn unseres Lebens in Kontakt kommen, kann einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Immunsystem haben. Kaiserschnittkinder kommen bei der Geburt nicht unmittelbar mit Bakterien aus dem Vaginal- oder Darmsekret der Mutter in Kontakt - das war in einigen Studien als Grund für die leicht erhöhten Risiken für Erkrankungen wie Asthma, Allergien oder Übergewicht vermutet worden.
Ein niederländisches Forschungsteam hat nun belegt, dass auch Kaiserschnittbabys nützliche Bakterien der Mutter erhalten. Publiziert wurde die Studie im Fachmagazin "Cell Host & Microbe". Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten dafür 120 Mutter-Kind-Paare in den ersten 30 Tagen. Sie entnahmen regelmäßig Abstriche von diversen Körperpartien etwa im Nasenrachenraum, auf der Haut, im Stuhl und aus der Muttermilch. Die Daten deuten darauf hin, dass die Besiedlung mit wichtigen Bakterien nicht nur durch Vaginal- und Darmsekret erfolgt.
Fast 60 Prozent des Mikrobioms von der Mutter
Die Forscher um Debby Bogaert konnten zeigen, dass im Durchschnitt fast 60 Prozent des gesamten Baby-Mikrobioms von der Mutter stammt - unabhängig davon, ob das Kind per Kaiserschnitt oder vaginale Geburt auf die Welt gekommen ist.
"Das ist überraschend, weil man vorher immer davon ausgegangen ist, dass es so wichtig sei, dass der Kontakt zum Geburtsweg, zur Scheide da ist, dass die Übertragung primär stattfindet", sagt Wolfgang Henrich, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin an der Charité in Berlin. Er sei froh über diese Studie, weil sie Frauen vielleicht ein wenig Angst nehme vor einem Kaiserschnitt, der, betont Henrich, in der Regel ja auch seinen Grund hat.
Wichtige Quelle für Mikroben: Muttermilch
Fehlt der Vaginalkontakt, können andere Mikrobenquellen, wie Haut, Speichel und Muttermilch, den zunächst negativen Effekt des Kaiserschnitts auf das Säuglings-Mikrobiom ausgleichen, so die Forschenden. Der anfängliche Rückstand bei Kaiserschnittbabys wurde demnach durch eine Besiedlung in den Tagen nach der Geburt ausgeglichen - vor allem über die Muttermilch. Deshalb sei das Stillen für Kaiserschnittkinder besonders wichtig.
Unterschiede in der Besiedlung
Die mikrobielle Flora in der Art der Bakterien unterschied sich: Bei jenen Kindern, die vaginal entbunden wurden, stammte sie eher aus dem Vaginal- und Darmtrakt der Mutter, bei den Kaiserschnittkindern dagegen eher aus der Muttermilch.
Welche Rolle die Zusammensetzung des Mikrobioms spielt, und ob es wichtig ist, welche Bakterien das Kind zuerst besiedeln, das kann die Studie nicht beantworten, stellt Neonatologe Christoph Härtel, Direktor der Kinderklinik am Universitätsklinikum Würzburg, in einer schriftlichen Stellungnahme klar: "Das Stillen kann die Darmbesiedlung zwar fast eins zu eins günstig beeinflussen und es reduziert das Asthmarisiko. Wir wissen aber nicht, ob unterschiedliche Pionierbakterien als 'erste Saat' die entscheidende Rolle dafür spielen. Hierfür benötigt es langfristige Studien, die dann auch Auswirkungen auf andere Komponenten, wie zum Beispiel das Immunsystem oder den Stoffwechsel untersuchen."
Mikrobiom ist ein komplexes Ökosystem
Das Mikrobiom ist ein komplexes Ökosystem und vieles noch unerforscht. Sie seien weit davon entfernt, die mikrobielle Vielfalt und Zusammensetzung bei Säuglingen vollständig zu erklären, sagen die Forschenden. Inwiefern zum Beispiel auch Väter, Geschwister, andere Familienmitglieder und die Umgebung das Mikrobiom des Babys beeinflussen - auch das muss in weiteren Studien geklärt werden.
Geburtsmediziner Henrich bezweifelt, dass das mütterliche Mikrobiom automatisch auch immer das Beste ist: "Denn die Mütter sind ja auch nicht alle gesund und haben vielleicht auch nicht alle ein gesundes Mikrobiom. Ich denke nicht mal nur an Krankheitserreger, wie Coli-Bakterien oder Streptokokken, sondern auch an Bakterien, die selbst bei den Müttern bereits zu Diabetes oder zu sonstigen auch psychischen Erkrankungen beigetragen haben."
Vaginal Seeding: "Bakteriendusche" für Neugeborene
Um ein mögliches Defizit des Mikrobioms bei Kaiserschnittkindern auszugleichen, wurde die Methode des "Vaginal seedings" in den vergangenen Jahren in Studien untersucht und diskutiert. Dabei wird Vaginalsekret der Mutter mit einem Tuch entnommen und dem Kaiserschnittbaby in Mund und Nase gestrichen. Dadurch soll das Kind nachträglich die nötigen Mikroorganismen erhalten. Eine aktuelle Studie legt nahe, dass die Methode allerdings keine nennenswerten Auswirkungen hat.
Nach der niederländischen Studie könnte die Methode so oder so hinfällig sein. Ungefährlich sei sie auch nicht, so Henrich. Beim Vaginal Seeding könnten auch unerwünschte Bakterien übertragen werden.