Ausgediente Satelliten Endstation Erdatmosphäre
Seit ihren Anfängen werden Satelliten in der Erdatmosphäre entsorgt. Dort verglühen sie, aber nicht restlos. Experten warnen vor einem Problem wie Mikroplastik.
27. August 2024, Süddeutschland: Am Abendhimmel taucht plötzlich ein Lichtschweif auf, bewegt sich langsam, scheint sich aufzuspalten und sorgt für Aufregung. Diese spektakuläre Himmelserscheinung war aber kein natürliches Phänomen wie ein Meteor, sondern geliefert von der privaten US-amerikanischen Weltraumfirma SpaceX von Elon Musk: Ein ausgedienter Starlink-Satellit verglühte in der Erdatmosphäre.
Die Menge an Weltraumschrott, die auf diese Art und Weise in unserer Atmosphäre entsorgt wird, wird in den kommenden Jahren rapide zunehmen. Welche Folgen hat das für uns und die Erdatmosphäre?
Erdatmosphäre als Schrott-Entsorger
Die Atmosphäre der Erde dient seit den Anfängen der Raumfahrt als Entsorgungsstation für ausgebrannte Raketenstufen und ausgediente Satelliten aller Art. Bei einem kontrollierten Wiedereintritt wird das zu entsorgende Objekt gezielt so manövriert, dass es über Gebieten verglüht, wo Schäden am Boden möglichst klein wären: beispielsweise Regionen im Südpazifik, wo es keinerlei Landmasse aber auch nicht viel Schiffs- und Flugverkehr gibt.
"Wenn man Satelliten so baut, dass das Risiko besteht, dass bestimmte Fragmente den Wiedereintritt überleben, dann wählt man einen kontrollierten Wiedereintritt", sagt Tim Flohrer, Leiter der Abteilung für Raumfahrtrückstände bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA.
Im Fall des Starlink-Satelliten hingegen handelte es sich um einen unkontrollierten Wiedereintritt: Die Satelliten werden nach Ende ihrer Laufzeit zwar gezielt abgesenkt, treten dann aber unkontrolliert in die Erdatmosphäre ein. "Wo und wann das genau passiert, kann man nicht vorhersagen", sagt Manuel Metz, Experte für Weltraummüll am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR.
Laut Angaben der Firma SpaceX verglühen ihre Satelliten beim Wiedereintritt in die Atmosphäre vollständig, weshalb solche unkontrollierten Wiedereintritte auch über dicht besiedelten Regionen stattfinden können.
Aluminium und Kunststoffe bleiben in der Atmosphäre
Weil die entsorgten SpaceX-Satelliten komplett in der Erdatmosphäre verglühen, besteht für die Menschen am Boden keine Gefahr. Welche Auswirkungen die verglühenden Satelliten auf die Erdatmosphäre haben, wird hingegen bislang noch sehr wenig verstanden.
Denn die Satelliten mögen zwar komplett verglühen, aber ihre Bestandteile verbleiben zunächst in der Atmosphäre: "Hauptsächlich sind das Materialien wie Aluminium, aber auch einige Arten von Plastikmaterialien", sagt Flohrer. In den vergangenen Jahrzehnten gab es so wenige Satelliten, dass etwaige Auswirkungen guten Gewissens als vernachlässigbar eingeschätzt werden durften.
Doch das ändert sich: Derzeit befinden sich mehr als 10.000 aktive Satelliten in Erdumlaufbahnen. Mehr als zwei Drittel davon sind Starlink-Satelliten von SpaceX, Tendenz exponentiell steigend. Was all diese Satelliten durch ihr Verglühen in der Erdatmosphäre machen, ist derzeit nicht bekannt: "Das ist ein bisschen wie das Mikroplastikproblem in den Ozeanen", sagt Metz. "Wir erzeugen ein Mikropartikel-Problem in der Atmosphäre und verstehen noch gar nicht, ob und welche Konsequenzen das langfristig haben wird."
ESA erforscht Verglühen der Satelliten
Um etwaige Auswirkungen auf unsere Erdatmosphäre zu untersuchen, will die ESA genauere Beobachtungen anstellen. Eine gute Gelegenheit bietet sich bereits am 8. September 2024. Da soll ein ausgedienter ESA-Satellit in die Erdatmosphäre eintreten. Weil die ESA weiß, wann und wo, möchte sie das Ereignis genau beobachten: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen den Wiedereintritt von einem Flugzeug aus beobachten. "Dann können wir sehen, wie dieser Satellit verglüht und was dabei in welcher Höhe freigesetzt wird", sagt Flohrer.
Mit einer steigenden Anzahl an Satelliten in unseren Erdumlaufbahnen werden auch immer mehr von ihnen in der Erdatmosphäre entsorgt werden müssen. Zwar werden solche himmlischen Entsorgungsaktionen auch künftig kein tägliches Himmelsphänomen sein, aber es wird vielleicht gar nicht mehr so lange dauern bis zum nächsten Lichtschweif. Und Flohrer meint: "Wir sollten uns darauf vorbereiten, dass das häufiger passiert."