Nobelpreis für Physik Ehrung für den "Paparazzo der Elektronen"
In München forscht mit Ferenc Krausz einer der drei Physik-Nobelpreis-Träger. Seine Arbeit macht Bewegungen von Elektronen sichtbar, indem er sie mit Laserblitzen fotografiert. Das nutzt auch der Medizin.
Die Max-Planck-Gesellschaft nennt ihn den "Paparazzo der Elektronen". Als "schnellster Fotograf der Welt" steht der ungarisch-österreichische Experimentalphysiker Ferenc Krausz sogar im Guinnessbuch der Rekorde.
Nun darf sich Krausz, der in Deutschland am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der LMU München forscht, über eine weitere, noch größere Auszeichnung freuen: Wie die Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm bekannt gab, erhält Krausz gemeinsam mit dem französisch-US-amerikanischen Physiker Pierre Agostini und der in Schweden forschenden Französin Anne L'Huillier den Nobelpreis in Physik.
Die drei Forschenden entwickelten Methoden, um kleinste atomare Vorgänge wie die Bewegung von Elektronen sichtbar zu machen. Ihre Forschung liefert nicht nur wichtige Erkenntnisse für die Physik, sondern auch über den Ablauf von chemischen Reaktionen und für die Medizin.
Unvorstellbar schnelle Bewegungen
Krausz, Agostini und L'Huillier arbeiten auf dem Gebiet der sogenannten Kurzzeit-Physik. Ihre Experimente basieren auf ultrakurzen Laserblitzen, mit deren Hilfe sie die Position von Elektronen in einem Atom ermitteln können. Das ist vergleichbar mit der Belichtungszeit in der Fotografie: je schneller eine Bewegung, desto kürzer muss die Belichtungszeit eingestellt werden.
Elektronen in Atomen bewegen sich jedoch so schnell, dass es eine unvorstellbar kurze Belichtungszeit braucht, um ihre Position zu bestimmen. In der Physik spricht man dabei von sogenannten Attosekunden. Teilt man eine Sekunde durch 1.000, erhält man eine Millisekunde. Wiederholt man das weitere fünf Mal, kommt man auf eine Attosekunde.
Dieses vielversprechende Forschungsfeld heißt Ultrakurzzeitphysik, Femtosekundenphysik oder auch Attosekundenphysik. Sie beschäftigt sich mit Prozessen, die so schnell ablaufen, dass sie für das bloße Auge nicht sichtbar sind.
Extrem kurze Laserblitze
Den Preisträgern gelang es, extrem kurze Laserblitze mit einer Dauer im Attosekunden-Bereich zu erzeugen. "Die diesjährigen Preisträger haben eine Möglichkeit entwickelt, die Bewegung von Elektronen in Materialien zu fotografieren, wenn man so will", erklärt Mark Pearce, Mitglied des Nobelkomitees.
1987 legte L'Huillier die Grundsteine für die Forschung durch Experimente mit infrarotem Laserlicht, das sie durch ein Edelgas leitete und beobachtete, wie es sich dabei veränderte. Aufbauend auf den daraus gewonnenen Erkenntnissen gelang es Agostini und Krausz Anfang der 2000er-Jahre erstmals, Lichtblitze im Attosekunden-Bereich zu erzeugen.
Die beiden Preisträger arbeiteten unabhängig voneinander an ihren Methoden. Agostini und sein Team sandten in ihrem Versuchsaufbau viele solcher Blitze rasch nacheinander aus. Krausz und sein Team dagegen erzeugten mit ihrer Methode einzelne, isolierte Attosekundenblitze.
Viele Anwendungsgebiete
Die Attosekundenphysik hat großes Potential für Medizin und Elektronik sowie für das Verständnis chemischer Reaktionen. Beispielsweise könnte die Früherkennung von Krebs verbessert werden, da sich bei einer Krebserkrankung die Häufigkeit bestimmter Moleküle in Blut- oder Gewebeproben verändert.
Mit den ultrakurzen Laserblitzen können Elektronen außerdem nicht nur beobachtet, sondern auch gesteuert werden - auch daran arbeiten die Forschenden. Die extrem kurzen Laserpulse setzen dabei Elektronen in kürzester Zeit in Bewegung, sodass ein elektrischer Strom fließt.
Solche schnellen Schaltprozesse könnten die Computertechnologie in eine neue Ära katapultieren. Die Verarbeitung, das Speichern und Übertragen von Daten würde so möglicherweise hunderttausendfach schneller als heute. Denn die Geschwindigkeit von Schaltprozessen bestimmen das Rechentempo von Computern maßgeblich.
Photosynthese steuern
Die Lasertechnik ermöglicht zudem neue Wege, den Prozess der pflanzlichen Photosynthese besser zu verstehen. Um eine chemische Reaktion wie die Photosynthese zu starten, braucht es einen sogenannten Elektronenübergang.
Im Fall der Photosynthese passiert das durch die Energie des Sonnenlichts. L'Huillier bezeichnet es in der Pressekonferenz des Nobelkomitees als den "heiligen Gral" der Attosekunden-Physik, diesen Elektronenübergang gezielt herbeiführen zu können. So könnten Wissenschaftler die Photosynthese gezielt starten und mehr über ihren Ablauf erfahren. Das sei aber noch Zukunftsmusik.
Entscheidende Forschung in Deutschland
Mit Krausz wird ein Wissenschaftler ausgezeichnet, der in Deutschland forscht. Agostini ist emeritierter Professor der Ohio State University in den USA. Die Französin L'Huillier forscht an der Universität Lund in Schweden.
"Es hat mich sehr berührt", gestand L'Huillier im Anschluss an die Verkündung des Nobelkomitees am Telefon. Sie wurde während einer Vorlesung mit der Auszeichnung überrascht. L'Huillier ist erst die fünfte Frau, die einen Physik-Nobelpreis erhält. Mit Agostini und Krausz sind dagegen inzwischen 225 Männer mit dem Preis ausgezeichnet worden.
Die Auszeichnung, die mit rund 950.000 Euro dotiert ist, erhalten die Forschenden offiziell erst am 10. Dezember. Das ist der Todestag von Alfred Nobel, dem Stifter des Nobelpreises.