Nobelpreis für Physik Das dunkle Geheimnis Schwarzer Löcher
Dass die Zeit an einem Schwarzen Loch stillsteht und in seinem Innern sogar die Zukunft existiert, sprengte sogar Einsteins Vorstellungskraft. Für die Erforschung des Phänomens erhalten eine Forscherin und zwei Forscher nun den Nobelpreis - unter ihnen ein Deutscher.
Der Brite Roger Penrose wird für die Erforschung von Schwarzen Löchern und für seine Beiträge zur Allgemeinen Relativitätstheorie ausgezeichnet und erhält eine Hälfte des Preisgelds. Der Deutsche Reinhard Genzel, Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching, und Andrea Ghez aus den USA erhalten je ein Viertel des Preises für die Entdeckung eines supermassiven Objekts im Zentrum unserer Galaxie.
"Wir wissen nicht, was in einem Schwarzen Loch passiert", sagt Andrea Ghez per Telefon zugeschaltet - kurz nach der Bekanntgabe der Preisträger in Stockholm. Aber was in der Nähe eines Schwarzen Lochs passiert, das wurde durch ihre Forschung so genau wie nie zuvor dokumentiert.
Über viele Jahre hinweg beobachteten die Teams von Ghez und Genzel unabhängig voneinander die Umlaufbahnen von Sternen, die ums Zentrum unserer Milchstraße kreisen. Die Form der Bahn und die hohe Geschwindigkeit, mit der die Sterne unterwegs sind, ließen schließlich keinen anderen Schluss zu: Die einzig mögliche Erklärung für dieses seltsame Objekt im Zentrum der Milchstraße ist ein supermassives Schwarzes Loch.
Nicht einmal Einstein glaubte an Schwarze Löcher
Der bekannteste unter den Preisträgern ist der der Brite Sir Roger Penrose. Er hat zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher über Fragen der Quantenphysik und der Relativitätstheorie veröffentlicht. Mit von ihm entwickelten, völlig neuen mathematischen Methoden erbrachte er den rechnerischen Beweis, dass Schwarze Löcher eine genauso natürliche Konsequenz aus Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie sind wie beispielsweise gekrümmte Lichtstrahlen oder die Änderung des Laufs der Zeit unter dem Einfluss von Gravitationsfeldern.
Dass die Zeit an der Oberfläche, oder besser gesagt Außengrenze, eines Schwarzen Lochs stillsteht und in seinem Innern sogar schon die von außen nicht zugängliche Zukunft existiert, ist eine derart absonderliche Vorstellung, dass nicht einmal Einstein selbst an die Existenz von Schwarzen Löchern glaubte. Möglicherweise hätte ihn Roger Penrose mit seinen Berechnungen überzeugt - aber er vollendete und veröffentlichte seine Arbeit erst im Januar 1965 und damit zehn Jahre nach Einsteins Tod.
Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße
Schwarze Löcher sind Objekte, bei denen extrem viel Masse auf kleinstem Raum zusammengequetscht wird, wodurch ein so starkes Gravitationsfeld entsteht, dass in der Umgebung der gequetschten Masse nicht einmal Licht dieser Anziehung zu entkommen vermag. Das Raumgebiet, aus dem keine Materie und kein Licht mehr entkommen kann, erscheint von außen betrachtet wie eine schwarze Kugel im All.
Ein Schwarzes Loch mit der Masse der Erde hätte einen Durchmesser von ungefähr einem Zentimeter. Das Schwarze Loch, das beim Kollaps eines Sterns entsteht, ist typischerweise mehrere zehn Kilometer groß. Das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße allerdings ist so groß wie unser Sonnensystem und enthält 4,3 Millionen Sonnenmassen. Ein wahres Massemonster.
Noch viele Fragen offen
Mit ihren Entdeckungen hätten die Wissenschaftler neue Türen für die Erforschung von Schwarzen Löchern eröffnet, sagte David Haviland, Vorsitzender des Nobelausschusses für Physik, zur Begründung der diesjährigen Vergabe. Trotzdem seien noch viele Fragen bezüglich dieser exotischen Objekte offen.
Durch Beobachtung der Vorgänge in ihrer unmittelbaren Umgebung könnte man auch herausfinden, ob die Theorie der Gravitation, wie sie Physiker derzeit für richtig halten, auch noch in stärksten Gravitationsfeldern gilt oder ob sich dort Hinweise auf neue physikalische Gesetzmäßigkeiten finden lassen.
Andrea Ghez ist erst die vierte Frau, die den Nobelpreis für Physik erhält. Sie hoffe, dass sie dadurch junge Frauen motivieren kann selbst Forscherinnen zu werden, sagte sie kurz nach der Bekanntgabe.