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Sportmedizin Wie zyklusbasiertes Training funktioniert

Stand: 18.04.2024 13:57 Uhr

Trainingspläne im Sport basieren häufig auf Studien mit Männern. Die sind aber nur zum Teil auf Frauen anwendbar. Viele Athletinnen trainieren inzwischen nach ihrem Menstruationszyklus.

Von Emily Burkhart und Elisabeth Theodoropoulos, SWR

Im Juli treffen sich in Paris wieder mehr als 10.000 Sportlerinnen und Sportler zu den Olympischen Sommerspielen. Zum ersten Mal in der Olympia-Geschichte werden an den Wettkämpfen gleich viele Frauen wie Männer teilnehmen. Bei den ersten Olympischen Spielen in Paris, im Jahr 1900, waren nur 22 der 997 Teilnehmenden weiblich.

Klar ist: Die Rolle von Frauen im Leistungssport nimmt stetig zu. Doch die trainingswissenschaftliche Forschung habe nicht Schritt gehalten, sagt Johannes Kirsten, kommissarischer Leiter der Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin am Universitätsklinikum Ulm. Die aktuelle Trainingslehre beruhe hauptsächlich auf Studien mit Männern.

Das Versprechen des zyklusbasierten Trainings

Doch immer mehr Profisportlerinnen trainieren mittlerweile zyklusbasiert. Das heißt, sie folgen einem maßgeschneiderten Trainingsplan, der sich an den Phasen ihres Menstruationszyklus orientiert. Das Versprechen: optimale Leistungsfähigkeit und Effizienz im Training, weniger Verletzungen und auch weniger psychische Belastung.

Denn die hormonelle Situation bleibt bei Frauen nicht 28 Tage lang gleich. Stattdessen schwanken weibliche Hormone in den Phasen des Menstruationszyklus relativ vorhersehbar. Vor nicht allzu langer Zeit war es allerdings noch kaum vorstellbar, dass eine Sportlerin mit ihrem Trainer oder ihrer Trainerin komplett offen über ihren Zyklus spricht. Die Periode war auch im Sport lange ein Tabuthema.

So funktioniert der weibliche Zyklus
Der Menstruationszyklus dauert im Schnitt etwa 28 Tage und basiert auf dem fein regulierten Zusammenspiel der Hormone Östrogen und Progesteron. Die genaue Länge des Zyklus ist jedoch von Frau zu Frau unterschiedlich: Nur bei etwa zehn bis 15 Prozent aller Frauen dauert ein Zyklus genau 28 Tage. Der Zyklus beginnt immer am ersten Tag der Periode. Dann folgen - je nachdem, welches Modell man verwendet - drei unterscheidbare Phasen: die Follikelphase, die Ovulation und die Lutealphase. Mit der Menstruation beginnt die Follikelphase. Sie umfasst den Zeitraum zwischen dem Eintritt der Menstruation und dem nächsten Eisprung. Der Eisprung - auch Ovulation genannt - findet um den 14. Tag eines 28-tägigen Zyklus statt. Hier ist man in der Regel am fruchtbarsten. Die Lutealphase - auch Gelbkörperphase genannt - beginnt, wenn die Eizelle während des Eisprungs freigesetzt wurde, also etwa 14 Tage, bevor die Periode einsetzt.

Die Logik hinter dem zyklusbasierten Training

Die Phasen des Menstruationszyklus - Menstruation, Follikelphase, Ovulation und Lutealphase - haben jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf den Körper. Basierend auf diesen Phasen kann das Training angepasst werden. Veränderungen bei Kraft, Leistung und Erholung, die während des Menstruationszyklus auftreten, könnten auf die Schwankungen der Hormone Östrogen und Progesteron zurückzuführen sein - so zumindest die Vermutung. Östrogen gilt als anabol - das heißt, es kann den Muskelaufbau fördern -, während Progesteron mit dem Eiweißabbau - auch Muskelabbau genannt - in Verbindung gebracht wird.

So sollte das Training gestaltet sein

Am Anfang des Zyklus - also in der frühen Follikelphase - sind der Östrogen- und Progesteronspiegel niedrig. Hier findet bei den meisten Frauen die Periode statt, und es können niedrigere Energieniveaus sowie eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit auftreten. Daher kann es angenehm sein, das Training eher langsam anzugehen und sich auf Regeneration zu konzentrieren.

In der späten Follikelphase steigt der Östrogenspiegel an, und die Östrogenkonzentration wird im Verhältnis zum Progesteron deutlich höher. Damit steigt auch das Energieniveau, sodass sich Sportlerinnen hier meist leistungsfähiger fühlen und intensiver trainieren können.

Während des Eisprungs bleibt der Östrogenspiegel hoch, sodass sich viele Frauen auch hier besonders leistungsfähig fühlen. In der Lutealphase beginnt dann aber der Östrogenspiegel zu sinken, während der Progesteronspiegel steigt. Progesteron habe, so Johannes Kirsten von der Sportmedizin Ulm, anti-östrogene Effekte. Das heißt, es hebt die Wirkung des Östrogens wahrscheinlich teilweise auf. Insofern ist die Lutealphase für intensives Training nicht mehr so günstig. Eher empfiehlt sich in der frühen Lutealphase Ausdauer-Training.

In der späten Lutealphase - also kurz vor der Menstruation - sinken Östrogen und Progesteron, sodass dann eher das regenerative Training angestrebt werden kann.

Die wissenschaftliche Evidenz dahinter

Die Wirkung der hormonellen Schwankungen innerhalb des Zyklus auf die Kraft der Frauen wird sehr kontrovers in der Literatur diskutiert. Unterschiedliche Ergebnisse lassen sich dabei jedoch oft auf unterschiedliche Methodik und auf individuelle Abweichungen des Östrogen- und Progesteronspiegels bei Frauen zurückführen.

Um Klarheit zu schaffen, sind noch weitere Studien erforderlich. Bisher gibt es viele Argumente für zyklusbasiertes Training und kaum ein Argument dagegen. Es bietet sich nicht nur für Leistungssportlerinnen an, ihren Zyklus zu tracken. Der weibliche Menstruationszyklus ist nämlich ein guter gesundheitlicher Indikator dafür, falls irgendetwas nicht stimmt - etwa, wenn er unregelmäßig ist oder ausbleibt.

Was dabei aber wichtig ist: Das Training am Menstruationszyklus auszurichten, funktioniert nicht, wenn man hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille nutzt. Wer hormonell verhütet, kann seinen Zyklus allerdings so steuern, dass die Periode zum Beispiel nicht ins Wettkampfwochenende fällt. Ob aber die Pille die sportliche Leistung steigert oder eher verringert, ist ebenfalls noch zu wenig erforscht. Bei Fragen zu Zyklus und Sport ist in der Wissenschaft also noch viel Nachholbedarf.