Frauen im Leistungssport Mit dem Zyklus trainieren
Wie effektiv ein Training ist, kann bei Profisportlerinnen vom Zyklus abhängen. Grund sind die Hormonspiegel. Das beim Training zu beachten, kann Leistungssteigerungen bewirken, sagt Sportwissenschaftlerin Strahler im Interview.
tagesschau.de: Was genau ist zyklusbasiertes Training?
Jana Strahler: Studien legen nahe, dass durch den Zyklus tatsächlich die sportliche Leistungsfähigkeit und damit die Trainierbarkeit beeinflusst wird. Mit dem Einsetzen der Menstruation beginnt ein neuer Menstruationszyklus. Hier sind die Spiegel der weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron am niedrigsten. In dieser Phase berichten allerdings viele Frauen von Beschwerden wie Schmerzen, Wassereinlagerungen, Appetitveränderung oder Mattigkeit. Und ungefähr ein Drittel von ihnen erlebt das auch als beeinträchtigend. Manche Frauen verzichten in dieser Phase dann lieber ganz auf Sport.
Wenn wir in die Empfehlungen schauen, dann wird hier gesagt, dass man den Fokus auf regeneratives Training legen sollte. Die Devise in der Phase ist eindeutig, auf den eigenen Körper zu hören und nur zu machen, was gut tut. Aber auch die Empfehlung: Leichte Aktivitäten sind sinnvoll, denn Sport regt die Durchblutung an und kann dabei helfen, verkrampfte Muskeln zu entspannen.
Jana Strahler hat seit 2021 den Lehrstuhl Sportpsychologie, Institut für Sport und Sportwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg inne.
In der Zyklusmitte am leistungsstärksten
tagesschau.de: In welcher Phase profitieren die Sportlerinnen vom Zyklus?
Strahler: An die Menstruation schließt sich die Follikelphase an, die durch einen stetigen Anstieg des Östrogenspiegels gekennzeichnet ist. Im Nervensystem haben Östrogene eine erregende Funktion. Außerdem fördern sie den Aufbau von Muskelkraft und erhöhen die Verfügbarkeit von Serotonin, dem "Gute-Laune-Hormon". Deshalb scheint diese Phase besonders für intensives Training geeignet.
In der Zyklusmitte folgt der Eisprung - hier erreicht der Östrogenspiegel seinen Höchststand. Die meisten Frauen fühlen sich in dieser Phase am leistungsstärksten. Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn Östrogene erhöhen auch die Dehnbarkeit der Sehnen, was zu einer Instabilität in den Gelenken führen kann und damit auch zu einer erhöhten Verletzungsanfälligkeit bei komplexen Bewegungsabläufen.
Nach dem Eisprung in der zweiten Zyklushälfte sinken dann die Östrogene leicht und das Progesteron steigt kontinuierlich an. Progesteron selbst wirkt stabilisierend im Gewebe, erhöht die Spannung und wirkt im Nervensystem hemmend. In der Lutealphase sollte auf ein erhaltendes und nicht unbedingt auf ein aufbauendes Training gesetzt werden. Das heißt der Fokus liegt eher auf Ausdauer und Kraft. Kurz vor der Menstruation steigt dann beispielsweise auch noch der Spiegel des Stresshormons Cortisol an, was sich ebenfalls auf Leistung und Psyche auswirken kann.
Jeder Zyklus ist individuell
tagesschau.de: Wie viel können Leistungssportlerinnen dadurch rausholen, wenn sie ihr Training an den Zyklus anpassen?
Strahler: Für die Kraft-Trainierbarkeit scheint ein zyklusphasenbasiertes Training tatsächlich besser. Bei der Ausdauerfähigkeit ist die Studienlage weniger eindeutig. Das heißt, hier scheint eine Berücksichtigung des Zyklus weniger bedeutsam. Aber jeder weibliche Körper ist unterschiedlich. Die Empfehlungen werden anhand von Durchschnittswerten von Studienteilnehmerinnen ermittelt. Es gibt aber auch Frauen, die sich während der Ovulationsphase weniger leistungsstark fühlen und sind, weil sie beispielsweise der hohe Östrogenspiegel erschöpft. Deswegen sollte immer subjektiv entschieden werden, wann sich etwas für den Körper richtig anfühlt.
Die hormonellen Schwankungen der Frau in den Trainingsplan mit einzubeziehen ist eine eher neue, aber eine absolut zu begrüßende Entwicklung. Früher sollten viele Leistungssportlerinnen diese hormonellen Schwankungen unterdrücken und dafür die Pille nehmen, also ein hormonelles Verhütungsmittel. Allerdings zeigte sich dann keine generelle Verbesserung der Leistung. Das heißt: Das Unterdrücken des Zyklus kann sich auch nachteilig auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Denn wir verhindern das Absinken der Hormone, aber eben auch den leistungsförderlichen Anstieg.
Das soll nun nicht heißen, dass es nicht auch gute Gründe für die Einnahme der Pille gibt, wie beispielsweise medizinische Gründe bei sehr starken Menstruationsbeschwerden. Es muss auf jeden Fall mit der Gynäkologin oder dem Gynäkologen abgesprochen werden, wenn man über die Einnahme hormoneller Verhütungsmittel zur Steuerung des Zyklus nachdenkt.
Junges Forschungsfeld
tagesschau.de: Bei einigen Leistungssportlerinnen bleibt ja mitunter die Periode ganz aus. Was kann das für Folgen haben?
Strahler: Ein regelmäßiger Zyklus ist erst mal was positives, weil er zeigt, dass die Energieverfügbarkeit, der Energiehaushalt stimmt. Es gibt Studien, die nahelegen, dass nahezu 50 Prozent der Leistungssportlerinnen keinen normalen Zyklus haben. Das kann heißen, dass die Menstruation ganz ausbleibt oder es zu sehr langen Zyklen kommt. Grund hierfür kann das exzessive Training sein, was sich negativ auf den Hormonhaushalt auswirkt, den Eisprung unterdrückt, zum Aussetzen der Menstruation führt.
Das ist kurzfristig erst mal wenig problematisch, vielleicht auch erst mal wünschenswert. Besteht dieser Umstand aber über längere Zeit, dann kann das Risiko für Unfruchtbarkeit erhöht sein.
tagesschau.de: Warum wird zyklusbasiertes Training erst jetzt so fokussiert erforscht?
Strahler: In wissenschaftlichen Studien galt der Zyklus der Frau lange als Störfaktor. Die Betrachtung der verschiedenen Zyklusphasen macht Studien an Frauen in der Tat kosten- und zeitintensiver. Das Problem ist: Wenn wir Studien nicht auch an Frauen durchführen - in unterschiedlichen Zyklusphasen oder in unterschiedlichen hormonellen Situationen -, dann muss man sagen, dass Daten, vor allem wenn sie nur an Männern gewonnen werden, nur bedingt und manchmal gar nicht für Frauen gelten.
Das ist für das Training im Leistungs- und Breitensport mindestens ärgerlich, kann bei der Gestaltung von Trainingsplänen aber für Diabetes oder bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Etwa wenn ein Training, das bei Männern vielleicht funktioniert, bei Frauen keine Effekte oder vielleicht auch nachteilige Effekte hat. Das Thema zyklusbasiertes Training ist in der Sportwissenschaft aber eine neue "Hot Topic". Es gibt viele forschende Gruppen, die sich dieses Themas angenommen haben. Das heißt, hier wird es auch kurz- und mittelfristig neue Erkenntnisse geben.
Tipps für Freizeitsportlerinnen
tagesschau.de: Die Studien beziehen sich vor allem auf Leistungssportlerinnen. Was können Freizeitsportlerinnen daraus ziehen?
Strahler: Hier würde ich Frauen raten, sich mit der eigenen Physiologie und dem Zyklus zu beschäftigen - egal ob Leistungssportlerinnen oder nicht. Es kann absolut sinnvoll sein, den eigenen Zyklus zu tracken und dabei auch zu notieren: Welche Symptome sind aufgetreten, in welcher Phase fühle ich mich besonders energetisch oder in welcher fühlt es sich erschöpfend an? Wie verändert sich auch meine eigene Fitness im Training während des Monats?
Beim zyklusbasierten Training geht es aber um mehr als diese Trainingsoptimierung. Es geht für alle Sportlerinnen auch darum, nicht zu verzweifeln, wenn man sich an manchen Tagen nicht gut fühlt. Wer diese Zusammenhänge kennt, kann einfach gelassener damit umgehen. Es wirkt entlastend, wenn man den Zyklus und damit im Zusammenhang stehende Phänomene auch als solche versteht. Frauen können dann milder mit sich sein, wenn ein Bewusstsein geschaffen ist.