Welt-Alzheimer-Tag Neue Therapien - aber kein Durchbruch
Alzheimer ist die häufigste Form der Demenzerkrankungen und aktuell nicht heilbar. Zwar gibt es neue Therapien, die den kognitiven Abbau verlangsamen sollen - für Euphorie ist es aber noch zu früh.
Etwa 1,8 Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer Demenz. Rund zwei Drittel davon sind an Alzheimer erkrankt. Bereits vor dieser Diagnose bemerken Betroffene oft, dass ihr Gedächtnis nicht mehr so zuverlässig ist wie früher.
Heute weiß man: Noch deutlich früher, viele Jahre vor den ersten Alzheimer-Symptomen, beginnt die Schädigung des Gehirns, meist unbemerkt. Und eine Therapie, die das wieder rückgängig machen könnte, gibt es nicht.
Medikamente für einen langsameren Verlauf
Doch in den vergangenen Jahren wurden die Daten von mehreren Medikamenten veröffentlich, die zumindest dafür sorgen sollen, dass die Erkrankung langsamer fortschreitet. Länger selbstständig leben, sich länger an den aktuellen Wochentag erinnern, an die Namen der Liebsten - das wäre für viele eine echte Erleichterung.
Die Namen der Mittel, die hier Hoffnung machen, klingen sehr ähnlich: Aducanumab, Lecanemab, Donanemab. Das "mab" am Ende steht für "Monoclonal Antibody" - die Präparate bestehen also aus Antikörpern. Und die sollen Jagd auf ein bestimmtes Protein machen: auf Amyoloid beta.
Amyloid beta und tau: Eine verheerende Kombination
Welche Rolle dieses Protein bei der Entstehung von Alzheimer spielt, war lange umstritten. Doch klar ist: Amyloid beta bildet kleine Klumpen, sogenannte Plaques, die sich bei Alzheimer-Patientinnen und -Patienten im Gehirn zwischen den Nervenzellen ansammeln. Ein weiteres Protein, tau genannt, sammelt sich in den Nervenzellen zu sogenannten Fibrillen an. Gemeinsam richten sie irreversible Schäden an - die typischen Alzheimer-Symptome entstehen.
Die Antikörper in den neuen Alzheimer-Medikamenten sollen das Protein Beta-Amyolid zu fassen kriegen und so entweder verhindern, dass sich neue Plaques anlagern oder sogar alte Ablagerungen entfernen. Zwei der Mittel sind auch in den USA bereits für die Behandlung zugelassen: Aducanumab seit 2021, Lecanemab seit diesem Sommer.
Bemerkt man den Effekt im Alltag?
Doch für die große Euphorie ist es in der Praxis zu früh. Denn die Antikörper in den Medikamenten tun zwar ihren Job: Sie fangen das Amyloid beta ab. Doch das allein hilft den Betroffenen nicht. Die möchten einen Unterschied im Alltag spüren.
Diesen misst man bei Alzheimer-Patienten mit der sogenannten CDR-Skala. In 18 Abstufungen wird hier ausgewertet: Wie selbstständig kann jemand noch leben? Wie orientiert ist er oder sie noch? Doch der Unterschied auf dieser Skala war in den Studien zwischen Betroffenen, die Lecanemab nehmen, und anderen, die ein Placebo-Mittel erhalten, nicht sehr beeindruckend.
"Die Frage, die man diskutieren muss, ist, wie relevant der Effekt klinisch ist. In den 18 Monaten Untersuchungszeitraum wurden zwischen der Lecanemab- und der Placebo-Gruppe 0,45 Punkte Unterschied auf der CDR-Skala beobachtet. Davon merkt der Patient wahrscheinlich kaum etwas", erklärt Stefan Teipel, Leiter der Forschungsgruppe Klinische Demenzforschung am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen.
Möglich wäre jedoch, dass der Unterschied zwischen den beiden Studiengruppen bei einem längeren Zeitraum relevanter würde, wenn der Effekt weiter anhielte. Das wird weitere Forschung zeigen.
Donanemab zeigt noch bessere Ergebnisse
Vor wenigen Monaten kam dann ein weiterer "map"-Kandidat dazu: In einer Pressemitteilung erklärte der Pharmakonzern Lilly, sein Alzheimer-Medikament Donanemab würde die klinische Verschlechterung der Erkrankung verlangsamen - und zwar um 35 Prozent im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Die Patientinnen und Patienten waren außerdem 40 Prozent weniger darin beeinträchtigt, ihren Alltag zu meistern.
Mittlerweile wurden diese Daten auch in einer Fachzeitschrift veröffentlicht. Zwar sind die Ergebnisse von Donanemab insgesamt besser als die von Lecanemab, aber auch hier gilt: Die Demenz schreitet weiter voran - wenn auch etwas langsamer. Für viele Fachleute ist das ein wichtiges Zeichen: Offenbar geht es bei der Suche nach einer Alzheimer-Therapie in die richtige Richtung.
Noch aber laufen weitere Studien zu Donanemab. Und Linda Thienpont, Wissenschaftliche Leiterin der Alzheimer Forschung Initiative, warnt weiterhin vor allzu großen Erwartungen: Auch Donanemab sei kein Gamechanger, nicht DER große Durchbruch. Es könne die Alzheimer-Krankheit weder heilen noch stoppen, wenn auch den kognitiven Abbau verlangsamen.
Großer Aufwand, schwere Nebenwirkungen
Gleichzeitig ist der Aufwand für alle Beteiligten hoch: Die Antikörper werden als Infusion gegeben, die Patienten müssen dafür alle zwei Wochen in eine Klinik oder Spezialambulanz kommen. Dazu gibt es regelmäßige Gehirn-Scans, um die möglichen, schwerwiegende Nebenwirkungen zu kontrollieren, die in den Studien immer wieder auftraten. Hinzu kommt: Die Antikörper-Therapie ist teuer - ob Krankenkassen sie übernehmen würden, ist unklar.
Außerdem, darauf weisen viele Fachleute hin, dürfe man auch die Nebenwirkungen nicht aus dem Blick lassen: Während der Studie mit Donanemab sind drei Menschen auf Grund der Behandlung gestorben, es sind bei etlichen Probandinnen und Probanden Hirnschwellungen oder -blutungen aufgetreten. Das müsse hoch gewichtet werden, wenn im Falle einer Zulassung zukünftig im Einzelfall für oder gegen eine Behandlung zu entscheiden wäre, so Wissenschaftler Teipel.
Ziel: Entwicklung von Kombinationstherapie
Insgesamt seien die Ergebnisse der neusten Studien jedoch ermutigend. Vor allem, weil sie die Perspektive für eine zukünftige Kombinationstherapie eröffnen würde, so Teipel. Denn wenn in Zukunft neben dem Amyloid beta-Plaques auch die schwerer zugänglichen tau-Fibrillen aus den Nervenzellen entfernt werden könnten, könnte das zu einer echten Verbesserung für Alzheimer-Patienten und -Patientinnen führen.