Hafize Gaye Erkan Wofür steht die neue Zentralbankchefin der Türkei?
Präsident Erdogan hat die junge, international erfahrene Finanzexpertin Hafize Gaye Erkan als neue Chefin der türkischen Zentralbank berufen. Heißt das, dass er sich von seiner unorthodoxen Zinspolitik verabschieden will?
"Wir haben alle nur begrenzte Zeit und Leben. Deshalb müssen wir alles, was wir tun, optimieren", sagte Hafize Gaye Erkan vor etwa einem Jahr dem Sender Bloomberg. Es klingt wie ihr Lebensmotto. Damals will Erkan gerade bei Greystone einsteigen, einem Kreditgeber spezialisiert auf Gewerbeimmobilien. Der Firmengründer wird auf Erkan fast zwangsläufig aufmerksam - so bemerkenswert verläuft ihre Karriere.
Steile Karriere
1982 kommt sie in Istanbul zur Welt. Ein Gespür für Zahlen und das Begreifen komplexer Zusammenhänge geben ihr offenbar schon ihre Eltern mit: ein Ingenieur und eine Lehrerin für Mathematik und Physik. Im Eiltempo wird die junge Gaye gleich nach der Schule eine der Jahrgangsbesten der renommierten Bogazici-Universität. Über Stipendien kommt sie in die USA, studiert Finanzwirtschaft und Mathematik.
Ihre berufliche Laufbahn geht nur in eine Richtung, nach oben. Als eine der ersten und vor allem jüngsten Frauen landet sie in den USA in der Chefetage der First Republic Bank, später bei den Investmentbankern von Goldman Sachs. Die First Republic Bank ist übrigens irgendwann zahlungsunfähig. Womöglich stammen Erkans Ansichten auch aus solchen Erfahrungen: "Wir haben auch gelernt, dass Liquidität nicht unbedingt gleichbedeutend mit Solvenz ist."
Das sind schon die Feinheiten der Finanzwelt. Übersetzt heißt das so viel wie: Wenn eine Firma im Moment genug Geld hat, bedeutet das nicht, dass es in Zukunft auch so ist. Wenn es um Solvenz - also um Zahlungsfähigkeit - geht, reicht es in der Wirtschaft eben nicht aus, wenn das nur jetzt der Fall ist. Eine Firma muss auch den Eindruck erwecken, dass das so bleibt.
"Dream Team" gegen die hohe Inflation?
Vermutlich nicht nur mit solchen Einsichten ist Gaye Erkan auch dem neuen türkischen Finanzminister Mehmet Simsek aufgefallen. Der hat selbst eine Karriere als Investmentbanker gemacht. Die beiden dürften nun ein tatkräftiges Gespann sein, das die türkische Finanzwelt und Wirtschaft so umbaut, wie Simsek es angekündigt hat: "Die Türkei muss zu einer rationalen Grundlage zurückkehren. Der Schlüssel zum gewünschten Wohlstand ist eine regelbasierte, berechenbare türkische Wirtschaft."
Simsek und Erkan werden international hier und da schon als Traumpaar der Ökonomie beschrieben, als "Dream Team" gegen die hohe türkische Inflation. Sie mögen die Vorschusslorbeeren verdienen - aber ob Simsek und Erkan es wirklich schaffen, das Ruder in der Türkei herumzureißen?
Hohe Erwartungen
Die Wirtschaftsexpertin Arzu Odabasi mahnt im türkischen Fernsehen Zurückhaltung an: "Natürlich wird ein starkes Team positive Auswirkungen auf die Türkei, auf die Wirtschaft haben, aber ich empfinde solche Kommentare aus dem Ausland eher als beunruhigend. Das ist überladen, verbunden mit zu vielen Erwartungen."
Und sowieso hängt sehr viel vom wirtschaftlichen Gesamtumfeld ab, von globalen, nicht nur regionalen Zusammenhängen, erklärt Erkan. Eine Zentralbank allein jedenfalls, stellte sie schon vor gut einem Jahr fest, kann es nicht richten: "Welche Instrumente haben Zentralbanken noch zur Verfügung? Nicht viele."
Wie viel Erkan als neue Zentralbankpräsidentin der Türkei wird machen können, wie groß ihre Handlungsoptionen sind, hängt obendrein auch davon ab, was der türksiche Präsident Recep Tayyip Erdogan am Ende zulässt.