Hafize Gaye Erkan, Chefin der türkischen Zentralbank

Lira weiter unter Druck Türkischer Leitzins steigt auf 40 Prozent

Stand: 23.11.2023 13:32 Uhr

Die Türkische Zentralbank hat den Leitzins abermals überraschend deutlich angehoben: Er liegt nun bei 40 Prozent - doch ob das reichen wird, um der Inflation in dem Land wieder Herr zu werden?

Von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Die Türkische Zentralbank hat heute erneut kräftig an der Zinsschraube gedreht: Der Leitzins steigt um 5,0 Prozentpunkte auf 40 Prozent. Es ist der dritte Zinsschritt in diesem Umfang in Folge. Marktbeobachter hatten nur mit einer Anhebung auf 37,5 Prozent gerechnet.

Notenbank-Chefin Hafize Gaye Erkan bleibt damit ihrer Linie treu: Seit ihrem Amtsantritt hat sich der türkische Leitzins mehr als vervierfacht. Gleich als erste Amtshandlung hatte sie den Leitzins direkt im Juni von 8,5 auf 15,0 Prozent angehoben - und ist seither von ihrer restriktiven Linie keinen Zentimeter abgerückt.

Erdogans Scheitern im Kampf gegen die Inflation

Die international erfahrene Finanzexpertin gilt vielen Ökonomen und Marktbeobachtern als Hoffnungsbringerin im Kampf gegen die hohe Inflation in dem Land, hat die türkische Zentralbank unter ihrer Ägide doch eine beispiellose Kehrwende vollzogen. Zuvor hatte sich Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan dafür eingesetzt, die steigenden Inflationsraten mit sinkenden Leitzinsen zu begegnen, und massiv Einfluss auf die Entscheidungen der Zentralbank genommen.

Mit dieser unorthodoxen Vorgehensweise war er jedoch - für Ökonomen wenig überraschend - krachend gescheitert. Tatsächlich befeuern niedrige Leitzinsen die Inflation, über günstige Finanzierungsbedingungen für Kredite wird schließlich die Nachfrage belebt. Im Oktober lag die Inflation in der Türkei bei über 60 Prozent.

Türkische Lira fällt und fällt

Doch ob die nunmehr hohen Leitzinsen ausreichen werden, um die Teuerung in der Türkei nachhaltig zu dämpfen, ist fraglich. Denn die türkische Lira hat immer noch nicht ihren Boden gefunden, notiert etwa zum Dollar und Euro auf einem Rekordtief. Hintergrund ist der massive Vertrauensverlust, den die Währung unter Erdogan erfahren hat.

"Sie zeigt jede Tendenz, anfällig zu sein, falls Präsident Erdogan auch nur ein wenig von seinem Engagement für höhere Zinssätze über einen längeren Zeitraum abrücken sollte", erklärt Commerzbank-Devisenexperte Tatha Ghose. "Der Devisenmarkt ist ständig auf der Hut, dass Erdogan den Stecker zieht oder beginnt, Zinssenkungen zu fordern, sobald eine gewisse Besserung eingetreten ist. Beides wäre katastrophal."

Importierte Inflation - Lira hat ein Vertrauensproblem

Tatsächlich reagiert die Lira auf die erneute drastische Anhebung der Leitzinsen kaum - und das ist ein Problem. Schließlich verteuert die schwache Lira den Import von Gütern und Rohstoffen wie Öl aus dem Ausland. Das lässt wiederum die Verbraucherpreise steigen. Experten sprechen daher auch von einer "importierten Inflation".

Es heißt, die wichtigste Währung an den Finanzmärkten ist Vertrauen: Solange also die Anleger fürchten, dass Erdogan seiner Notenbankchefin plötzlich Steine in den Weg wirft, kann sich die Lira nicht nachhaltig erholen. Solange aber die Lira weiter abwertet, werden Leitzinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation nicht die gewünschte Wirkung zeigen. Hat Erdogan das Vertrauen in die Lira nachhaltig zerstört? Von der Antwort darauf hängt ab, ob die Türkei unter einem Präsidenten Erdogan überhaupt noch auf fallende Inflationsraten hoffen kann.