Gegenvorschlag angekündigt Brasilien will Mercosur-Abkommen retten
Im Ringen um das Mercosur-Freihandelsabkommen gibt es auch nach dem Gipfeltreffen in Brüssel vorerst keine Einigung. Allerdings will Brasiliens Präsident Lula nun in zwei bis drei Wochen einen Vorschlag unterbreiten.
In der Hoffnung auf einen Durchbruch in den Verhandlungen um das Mercosur-Freihandelsabkommen will Brasilien der Europäischen Union in den kommenden Wochen einen neuen Vorschlag unterbreiten. In zwei bis drei Wochen soll er präsentiert werden, sagte Präsident Luiz Inacio Lula Da Silva heute vor Journalisten.
Zum ersten Mal sei er optimistisch, noch im Jahresverlauf eine Einigung erzielen zu können. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Wirtschaftsbündnis Mercosur liegt derzeit auf Eis, weil dessen Mitglieder Brasilien und Argentinien zusätzliche EU-Auflagen bei Umwelt und Menschenrechten ablehnen.
Südamerikaner lehnten EU-Vorschläge bislang ab
Auch beim Gipfel von rund 50 Staats- und Regierungschefs der EU, Südamerikas und der Karibik zu Wochenbeginn in Brüssel wurde keine Einigung erzielt. "Unser Ziel ist es, alle verbleibenden Streitpunkte so schnell wie möglich auszuräumen, damit wir diese Vereinbarung abschließen können, von der beide Seiten profitieren", hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Montag betont.
Das Abkommen, das neben Brasilien noch Argentinien, Paraguay und Uruguay umfasst, soll Zölle abbauen und eine der größten Freihandelszonen der Welt schaffen mit mehr als 700 Millionen Menschen. Eigentlich sind die Verhandlungen schon seit 2019 abgeschlossen, die Umsetzung ging aber nicht voran, weil die EU Bedenken zur Rodung des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet und zur brasilianischen Klimapolitik hat. Das richtete sich vor allem gegen Lulas Vorgänger, den Rechtspopulisten Jair Bolsonaro, wurde in dem bevölkerungsreichen Land aber als Drohung aufgefasst.
Die EU-Kommission hatte einen Anhang vorgeschlagen, der Zusagen zum Erhalt des Regenwaldes und weitere Nachhaltigkeitsziele verankern würde. Bisher wehrten sich die Südamerikaner allerdings gegen diese Vorschläge für eine Zusatzerklärung. Die deutsche Wirtschaft kritisierte den Gipfel in Brüssel am Montag und Dienstag als verpasste Chance.
Deutsche Wirtschaft fordert Einigung in den Verhandlungen
Der deutsche Großhandelsverband BGA betonte, die Anliegen der EU seien zwar wichtig. "Forderungen nach sanktionierbarem Waldschutz gehen aber zu weit, auch wenn sie gut gemeint sind. Lässt man das Abkommen jetzt daran scheitern, wäre das nicht nur für uns der Verlust einer einzigartigen Chance zur Diversifizierung von Lieferketten, sondern auch ein Desaster für den Erhalt des Regenwaldes", so BGA-Präsident Dirk Jandura.
Auch der Chemieverband VCI sprach von einer verpassten Chance. Ein Abkommen mit der EU sei nicht mehr überall begehrt. Die Bundesregierung hatte in ihrer China-Strategie gerade das Ziel ausgegeben, unabhängiger von der Volksrepublik werden zu wollen. Laut Industrieverband BDI ist sich Südamerika seiner neuen geopolitischen Rolle bewusst und tritt entsprechend selbstbewusst auf.
"Das muss die EU bei der Verhandlung der Zusatzvereinbarung zum Mercosur-Abkommen realisieren und kompromissbereit sein. Die Bedürfnisse der Mercosur-Staaten müssen stärker berücksichtigt werden, um das Abkommen im zweiten Halbjahr abschließen zu können", sagte BDI-Lobbyist Wolfgang Niedermark. "Bei einem Scheitern des Mercosur-Abkommens, riskiert Europa fatale Folgen für die EU-Handelspolitik." Die Region sei nicht nur ein wichtiger Absatzmarkt und Investitionsstandort für europäische Firmen, sondern spiele auch für erneuerbare Energien und Rohstoffe eine wichtige Rolle.
Scholz und von der Leyen zuversichtlich
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte gestern Abend nach dem Gipfel mit Blick auf die Mercosur-Staaten gesagt, es müsse und könne Fortschritte in den Handelsbeziehungen geben. "Meine Hoffnung ist, dass, auch wenn sicherlich noch der ein oder andere kleine Stein aus dem Weg zu räumen ist, die Dynamik die Sache möglich macht." Von der Leyen kündigte zudem an, beim Freihandelsabkommen mit Mexiko in den kommenden Monaten zu einer Aktualisierung zu kommen.
Das Treffen am Montag und Dienstag wurde derweil von Differenzen zur Bewertung des russischen Angriffs auf die Ukraine überschattet. EU-Vertreter hatten auf eine klare Verurteilung Russlands gehofft. Die Abschlusserklärung erwähnte dann Russland aber nicht, auf Druck von Nicaragua. Stattdessen wurden lediglich Sorgen wegen des Krieges in der Ukraine zum Ausdruck gebracht und die Folgen der Invasion beschrieben.