Von der Leyen in Brasilien Ja zu Mercosur - trotz Differenzen
Die EU hofft trotz Differenzen auf den Abschluss eines Handelsabkommens mit der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur bis Ende des Jahres. Dazu reiste Kommissionspräsidentin von der Leyen nun unter anderem nach Brasilien.
Es herrscht reger Reisebetrieb zwischen Europa und Lateinamerika derzeit. In nur einem halben Jahr sind Bundespräsident und Bundeskanzler sowie sechs Minister in Brasilien zu Gast. Am Montag dann: höchster Besuch aus Brüssel. Es war der Auftakt der Lateinamerika-Reise von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen - und Teil einer neuen Charmeoffensive.
"Präsident Lula, Sie haben Brasilien dorthin zurückgebracht, wo es als wichtiger Global Player, als Anführer in der demokratischen Welt, hingehört", sagte von der Leyen. "Und ich bin hier, um zu sagen, dass Europa wieder da ist, zurück in Brasilien, zurück in Lateinamerika."
Ziel ist Mercosur-Abschluss noch in diesem Jahr
Mit Brasiliens neuem Präsidenten Lula da Silva soll nun möglich sein, was unter seinem Vorgänger Jair Bolsonaro auf Eis gelegt wurde - unter anderem wegen dessen Blockade beim Klimaschutz: ein Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten abzuschließen. Es würde die größte Freihandelszone der Welt schaffen.
Ziel sei ein Abschluss noch in diesem Jahr, auch weil die neue geopolitisch Lage das erfordere. Wo Russland als Energie- und Nahrungsmittellieferant ausfällt, könnte Südamerika einspringen.
Streitpunkt Klimaschutz
Genau da gehen bei Gesche Jürgens von Greenpeace alle Warnlampen an. Die Verhandlungen seien intransparent, der Klimaschutz, den sich die EU auf die Fahne geschrieben habe, sei mit dem Abkommen nicht vereinbar:
Es senkt die Zölle für Pestizide, es senkt die Zölle für Autos mit Verbrennungsmotoren, es senkt die Zölle für Rindfleisch für bestimmte Quoten. Das heißt, es fördert einfach Produkte, die klima- und naturschädlich sind. Und das passt einfach überhaupt nicht mehr in unsere Zeit.
Abkommen von geopolitischer Dimension
Doch es geht in Brasilien um vielmehr als Wirtschaft, es geht um Geopolitik. Oder, wie es von der Leyen ausdrückte: Das Abkommen sei auch eine Plattform für Dialog.
Deutlicher wurde vor einer Woche die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock: "Sonst füllen andere die Lücke, wie zum Beispiel die Chinesen, die sich nicht um soziale und Klimastandards kümmern, plus wir haben dann keinen Zugang."
Denn längst ist China Brasiliens wichtigster Handelspartner. Während die EU mit den Mercosur-Staaten um das große Abkommen ringt, werden in Peking bilaterale Verträge geschlossen. China stellt dabei anders als die EU kaum Forderungen. Ein Zusatzprotokoll der EU, das nun striktere Umweltstandards für das Mercosur-Abkommen festlegen soll, stößt in Brasilien auf wenig Begeisterung.
Es erhöht die Verpflichtungen Brasiliens und sieht bei Nichteinhaltung Sanktionen vor. Die Grundlage zwischen strategischen Partnern sollte gegenseitiges Vertrauen sein, nicht Misstrauen und Sanktionen.
Warnung vor zu viel Protektionismus
Die EU ist eine attraktive Partnerin für Südamerika, aber nicht die Einzige. Brasilien weiß um seinen strategischen Wert. Doch das Interesse, das Abkommen endlich abzuschließen, sei dennoch größer als je zuvor, sagt Oliver Stuenkel, Experte für internationale Politik an der renommierten Getulio Vergas Stiftung.
Es gibt jetzt so ein bisschen auch im öffentlichen Bereich Divergenzen. Natürlich dieser europäische side letter jetzt noch mit zusätzlichen Regeln, gerade im Umweltbereich, macht es dem südamerikanischen Präsidenten nicht einfacher, das jetzt umzusetzen. Allerdings glaube ich, dass auf europäischer Seite der Widerstand gerade der französischen Regierung größer ist als auf der südamerikanischen Seite.
Sollte in der EU nun der Protektionismus überwiegen, verspiele sie in Südamerika viel an Glaubwürdigkeit, so der Experte.